Queer Liberation, Not Assimilation – Antikapitalistischer CSD in Zürich

Vor ungefähr 5 Monaten gab die Zurich Pride ihren Vorschlag für das Motto der diesjährigen Pride heraus. Viele Menschen in der LGBTQIA+ Community waren seit längerem gespannt auf diesen Moment, da die Zurich Pride im Oktober 2021 verkündet hatte, dass die Pride 2022 zum Thema trans stattfinden würde.

Dies war ein signifikanter Moment, da das Verhältnis der Zurich Pride zu diesem Thema schon immer sehr problematisch war. Seit der ersten Pride in Zürich im Jahr 1994, wurden trans Menschen, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt oder «mitgedacht». Dass der grösste und einflussreichste queere Verein einen so grossen und historisch wichtigen Teil der LGBTQIA+ Community fast 30 Jahre lang im Wesentlichen unsichtbar gemacht hat, ist erschreckend und nicht akzeptabel. Auch neben dieser grossflächigen Vernachlässigung des Thema trans, tat sich die Zurich Pride immer sehr schwer und weigerte sich teilweise auch schlichtweg, trans inklusiver zu agieren. Zum Beispiel hat sie sich wiederholt geweigert, genderneutrale Toiletten am Festival einzuführen oder wurden auf ihrer Webseite erst vor wenigen Monaten die Pronomen der Vorstandsmitglieder hinzugefügt.

Insgesamt hat die Zurich Pride wiederholt gezeigt, dass die Inklusion und das Herausheben marginalisierterer Teile der queeren Community (TINAQ Menschen, AroAce Menschen, BIPoC, Migrant*innen) nicht ihre Priorität ist. Die Zurich Pride ist hauptsächlich von weissen cis Queers für weisse cis Queers, deren Forderungen nach Queer Liberation im Wesentlichen nicht über die Ehe für Alle hinausgehen.

So hat es eigentlich nicht erstaunt, dass das der erste Vorschlag für das Motto der Pride 2022 in dieser Hinsicht erneut enttäuschte. Dieser lautete nämlich «trans*normal - Mensch bleibt Mensch». Dieser Vorschlag stiess bei vielen Menschen aus der trans Community und aus linken queeren Kreisen auf starke Kritik, da sich die Assimilationspolitik, die dieses Motto äussert, nicht mit linken Ideen von Queer Liberation vereinbaren lässt. Die Grundaussage des Mottos, dass trans Menschen einfach normale Menschen sind und somit in die bürgerliche Gesellschaft hineinpassen wollen, ist problematisch, da das Erwähnen einer Normalität auch immer eine Abnormalität impliziert und die Normalität der bürgerlichen Gesellschaft schliesslich cis-heteronormativ ist. Das Motto sagt also eigentlich aus, dass die trans Menschen, die in die bürgerliche Definition von «normal» hineinpassen, in der Gesellschaft akzeptiert werden sollen und die restlichen nicht. Dies ist natürlich totaler Nonsens; trans Menschen und generell queere Menschen müssen sich nicht der bürgerlichen Normalität angleichen. Ganz im Gegenteil müssen wir die wundervolle Diversität der queeren Community hervorheben und wertschätzen und soziale und gesellschaftliche Normen sprengen. Das Sprengen dieser Normen war schon immer ein essenzieller Teil des Kampfes für Queer Liberation.

Nach heftiger, aber berechtigter Kritik von trans Menschen und linken Queers, hat sich die Zurich Pride erstaunlicherweise dazu entschieden, das Motto zu «trans-Vielfalt leben» zu ändern. Dieses Motto ist schon viel besser und impliziert viel mehr eine Zelebration der Vielfalt von trans Menschen als die bürgerliche Assimilationspolitik, die das erste Motto ausdrückte. Trotzdem zeigt der erste Vorschlag sehr gut, welche Politik die Zurich Pride verfolgt.

Die aufgezählten Probleme sind eigentlich nur Symptome der generellen Interessen der Zurich Pride. Die Zurich Pride ist ein Partyverein und hat den eigentlichen Zweck einer Pride vergessen. Um ihre extravaganten Partys zu finanzieren, muss die Zurich Pride mit grossen Sponsor*innen (UBS, CS, Gilead etc.) zusammenarbeiten. Sie kann es sich, aus Angst diese zu verlieren, also nicht erlauben progressivere/radikalere Forderungen zu stellen. Denn grosse Banken und Konzerne interessieren sich nur so weit für queere Menschen, wie es ihnen mehr Profit generieren kann. In Praxis bedeutet dies, dass sie im Juni, dem Pride Monat, zwar die Pride Fahne in ihr Logo auf Social Media einarbeiten oder aus kommerziellen Gründen an Pride Umzügen mitlaufen, dann aber gleichzeitig mit Regierungen zusammenarbeiten, die queere Menschen unterdrücken oder gar zum Tode verurteilen und queerfeindliche Rechtspopulist*innen in Europa und Amerika mitfinanzieren.

Auch laufen an der Zurich Pride jährlich Vertreter*innen der Polizei und des Militärs mit. Also genau die repressiven Arme des staatlichen Gewaltmonopols, die historisch Aufstände zur Forderung nach Grundrechten für queere Menschen konsequent gewalttätig niedergeschlagen haben und auch heute immer noch die Queerphobie des neoliberalen Systems reproduzieren. Dies äussert sich oft in Gewalt gegenüber queeren Menschen, die wirkliche Queer Liberation fordern und für ihre Rechte einstehen.

Die Zurich Pride hat also seit Jahren Probleme mit der Inklusion von TINAQ Menschen und anderen Teile der LGBTQIA+ Community, die nicht ihrem cis-weissen Standard entsprechen und hat sich wiederholt geweigert, sich spezifisch für die Rechte jener Gruppen einzusetzen. Weiterhin arbeitet sie mit Gruppen zusammen, deren Aktionen aktiv gegen die Liberation von queeren Menschen stehen, wie Banken, Konzerne, Polizei und Militär.

Aus diesen Gründen haben sich verschiedene queere Aktivist*innen aus der linken Szene zusammengeschlossen, um endlich eine Alternative zur Zurich Pride zu schaffen. So ist das Kollektiv CSD Zürich entstanden. Für dieses Jahr plant das Kollektiv eine Demonstration am 25. Juni als linke, intersektionale und antikapitalistische Alternative zum Pride Umzug am 18. Juni. An dieser Demonstration wollen wir uns für einen intersektionalen Kampf, für die Rechte queerer Menschen und für einen Systemwandel einsetzen. Wir stellen uns also gegen den Rainbow Capitalism der Banken und Konzerne, gegen das Pinkwashing der repressiven Organe des Staats und gegen die exklusive und kapitalistische Assimilationspolitik der Zurich Pride. Wir kämpfen also für die komplette Liberation aller queeren Menschen.

Wie mensch schon am Namen des Bündnisses und der daraus entstandenen Demo herauslesen kann, wollen wir uns spezifisch an die erste Pride und generell an die Geschichte des queeren Kampfes erinnern. Der Christopher Street Day (28.06.), kurz CSD, ist ein Tag, an dem sich die LGBTQIA+ Community an die erste Pride, die am 28. Juni 1969 im Stonewall Inn an der Christopher Street in New York stattfand zurückerinnert. Diese erste Pride war ein von Schwarzen trans Frauen angeführter Aufstand gegen das oppressive System und wurde von der Polizei mit massiver queerphober Gewalt niedergeschlagen. Queere Aufstände wie dieser waren schlaggebend für den Beginn der Akzeptanz queerer Menschen in unserer Gesellschaft. Hier sehen wir, dass positive Veränderungen für die LGBTQIA+ Community nicht aus bürgerlicher Assimilationspolitik entstehen, sondern aus gewaltvollen Aufständen radikal-queerer Aktivist*innen gegen das unterdrückende System. Auch sehen wir, dass die Polizei nicht der Freund queerer Menschen, sondern das repressive Organ eines queerphoben Systems ist, das historisch immer im Weg von Kämpfen für die Rechte der LGBTQIA+ Community stand. Also sagen wir laut: «You only gave us rights, because we gave you riots!» und «no cops at pride!».
Wir wollen uns an den Forderungen und der Form der ersten Pride orientieren und uns mit unserer Demonstration dem radikalen und intersektionalen Kampf gegen das queerphobe, sexistische, rassistische und kapitalistische System anschliessen.

Wir nehmen uns am 25. Juni hässig, kämpferisch und cute die Strassen und demonstrieren gegen das cis-heteropatriarchale neoliberale System und die bürgerliche Assimilationspolitik der Zurich Pride und sagen laut: «Queer Liberation – Not Assimilation!»

Antikapitalistischer CSD:

Treffpunkt: Ni-Una-Menos-Platz (ehem. Helvetiaplatz)
Datum: 25.06.22.
Zeit: 17:00 Uhr

Demonstration bewilligt