Chaot*innen aller Zürcher Gemeinden: vereinigt euch!

04.12.2022 - Laura Fischer

Die jSVP des Kantons Zürich will per Initiative die Kosten für Polizeieinsätze an unbewilligten Demonstrationen auf deren Organisator*innen und Teilnehmenden abwälzen und damit ein demokratisches Grundrecht angreifen - natürlich, um die Steuerzahler*innen zu entlasten.

Wenn eines feststeht, dann ist es, dass der (j)SVP steuerliche Belastungen für die Allgemeinheit herzlich egal sind. Für Steuergeschenke an Reiche und Konzerne reisst man auf allen Ebenen Löcher in die öffentlichen Kassen, man riskiert für kurzfristige, eigennützige Profite horrende Ausgaben in der Zukunft. Während die jSVP also vorgibt, mit ihrer «Anti-Chaoten-Initiative» um die Steuergelder der Zürcher Bevölkerung besorgt zu sein, ist klar, dass es ihr in Wahrheit einzig und allein darum geht, ihre politischen Gegner*innen frontal anzugreifen.

Rechte Gewalt richtet sich nicht gegen den Staat, sondern an den Staat, mit dem Ziel, ihn in Zusammenarbeit mit Polizei und Militär zu vereinnahmen und als Machtmonopol gegen Marginalisierte und Andersdenkende einzusetzen.

Analog baut die jSVP mit ihrer Initiative die Drohkulisse eines gestärkten Repressionsapparats auf, der Demonstrierende mehr als jetzt schon in ihrer Existenz bedrohen wird, sie von der politischen Bühne drängt und ihre Stimmen für die breite Öffentlichkeit verstummen lässt.

Ein grosser Teil der Initiative ist redundant, denn schon heute sind Demonstrationen in der Praxis bewilligungspflichtig und bereits heute müssen Menschen, denen man Sachbeschädigung oder andere rechtswidrige Handlungen nachweisen kann, dafür die Konsequenzen tragen. Einzig, dass die Organisator*innen und Teilnehmer*innen unbewilligter Demonstrationen künftig die Kosten für Polizeieinsatz und Sachbeschädigungen tragen müssten, wäre neu. Konkret heisst das: Die Initiative soll dem Staat ein Mittel in die Hand geben, um politische Aktivist*innen finanziell zu ruinieren.

Kundgebungen und Demonstrationen sind ein Mittel zur öffentlichkeitswirksamen Meinungsäusserung von vorwiegend politischen Gruppen und Organisationen, die begrenzte finanzielle Mittel haben und/oder nicht institutionalisiert sind. Die JUSO ist stolz darauf, Teil einer starken linken Protestkultur zu sein, die regelmässig Massen auf die Strassen mobilisiert und zeigt, dass wir vielleicht nicht das Geld, wohl aber die Menschen haben. Dass es unglaublich viele sind, die für Klimagerechtigkeit, den intersektionalen Feminismus, gegen Nazis und autoritäre Ideologien und Regimes auf der ganzen Welt, für Gerechtigkeit und das schöne Leben für alle einstehen.

Diese Präsenz auf der Strasse ist der jSVP und ihren rechten und bürgerlichen Konsort*innen ein Dorn im Auge, weshalb sie sich stets für mehr Repression, für die Kriminalisierung von politisch aktiven Linken und gegen physische und nicht-physische Räume, in denen sich Linke organisieren, einsetzen. Auch wenn sich die Initiative theoretisch gegen alle unbewilligten Demonstrationen richtet, zielt ihre Kampagne eindeutig und bisher fast ausschliesslich auf Linke ab; namentlich Hausbesetzer*innen, Klimaaktivist*innen, die JUSO, Teilnehmer*innen der 1.Mai- und Zürich Nazifrei- Demos.

Es ist nicht immer möglich, eine Bewilligung einzuholen, da man spontan auf Dinge reagieren muss oder das Geld dazu nicht hat. Es ist aber auch nicht immer angebracht oder sinnvoll, eine Bewilligung einzuholen, was in einer Demokratie genauso möglich sein soll und muss. Das Recht auf friedliche Demonstrationen – auch unbewilligte – ist ein Menschenrecht. Ziviler Ungehorsam muss über rechtliche Grenzen hinausgehen, um überhaupt wirksam zu sein. Diese Initiative würde es uns verunmöglichen, in entscheidenden Momenten gehört zu werden. Bei einer Annahme würde das Gewicht von Menschen und Gruppierungen mit viel Geld im öffentlichen Diskurs noch weiter wachsen, was demokratische Institutionen und den sozialen Frieden weiter massiv untergraben würde. Diese Initiative ist darum ein Angriff auf unsere Demokratie und auf die Menschenrechte.

Die Doppelmoral der (j)SVP könnte dabei offensichtlicher und plumper nicht sein. Man solidarisiert sich mit unbewilligten Corona-Demos, die die Gesundheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen gefährden, man solidarisiert sich mit der Jungen Tat und der Identitären Bewegung. Indem die jSVP in ihrer Kampagne politische Gewalt gezielt als eine linke Problematik darstellt, lenkt sie von rechter politischer Gewalt ab und schützt damit die, von denen die grösste Bedrohung für bereits errungene soziale Freiheiten und demokratische Institutionen ausgeht. Ganz getreu dem, was die Rechte immer macht: Nach unten treten. Linker Protest richtet sich gegen Macht, rechter Protest richtet sich gegen Machtlose.

Chaot*innen, vereinigt euch!