DER MÄNNERVEREIN IM BUNDESHAUS

20.10.2019 - Joëlle Jäger

Im Parlament sitzen zu wenige Frauen und zu wenige queere Menschen. Aber warum ist das überhaupt relevant?

Das Parlament in Bern ist so aufgebaut, dass die stimmberechtigte Bevölkerung möglichst gleichwertig vertreten sein soll. Die Nationalrät*innen vertreten die Bevölkerung der Schweiz; die Ständerät*innen vertreten die Kantone. Auch bei den Bundesratswahlen wird auf eine angemessene Vertretung der Landesteile geachtet. Und trotzdem sind nicht alle Identitäten gleich repräsentiert: Sind Sie eine Frau und/oder queer, dann sind Sie im Parlament in der Minderheit.

Männer dominieren die Politik

Der Anteil Einwohnerinnen liegt in der Schweiz seit einigen Jahren konstant knapp über 50%. Im Parlament allerdings ganz und gar nicht. Lediglich 31.7% der Nationalrats- und 13% der Ständeratsmitglieder sind Frauen. Frauen sind somit unterrepräsentiert. Bei queeren Parlamentarier*innen lässt sich dies weniger klar eruieren. Es wird davon ausgegangen, dass rund 10% der Menschen nicht heterosexuell bzw. nicht cisgender (Geschlechtsidentität stimmt mit dem bei Geburt zugewiesenem Geschlecht überein) sind – genaue statistische Zahlen gibt es nicht. Und während Geschlecht, Religion und Zivilstand der Parlamentarier*innen statistisch erfasst werden, ist das bei der sexuellen Orientierung nicht der Fall. Es soll auch keine Vorschrift sein für Parlamentarier*innen, Dinge über ihre Sexualität preiszugeben. Es soll schliesslich niemand gezwungen werden, sich zu outen.

Was hingegen geschehen muss: Das Parlament muss die Anliegen queerer Personen endlich ernst nehmen und sich für diese einsetzen. Dies wird nur geschehen, wenn queere Menschen selbst auch angemessen im Parlament vertreten sind.

Weshalb ist die Vertretung möglichst aller Bevölkerungsgruppen überhaupt so

wichtig? Reicht es nicht, wenn kompetente Leute ins Parlament gewählt werden? Eben nicht. Denn es ist erwiesen, dass Frauen im Parlament mehr Vorstösse zu feministischen Themen bringen als Männer. So ist wohl auch davon auszugehen, dass queere Themen mehr Aufmerksamkeit erhalten, je mehr queere Menschen im Parlament Einsitz haben. Dass feministische Forderungen sowie Anliegen der queeren Community auch im Jahr 2019 nicht an Relevanz verloren haben, zeigen der Frauen*streik und die drei Pride-Demonstrationen, welche im vergangenen Sommer unzählige Menschen auf die Strassen lockten. Genauso verdeutlichen leider auch zahlreiche Fälle von Sexismus und Homophobie die Notwendigkeit von ausgeglichener Repräsentation in der Legislative.

Quotenfrauen?

Das bedeutet natürlich keineswegs, dass Frauen gewählt werden sollen, nur weil sie Frauen sind. Frauen sollen gewählt werden, weil sie die Einwohnerinnen der Schweiz am besten repräsentieren und queere Kandidierende sollen gewählt werden, weil sie queere Menschen am besten vertreten können. Es werden hier keine «Quotenfrauen» gefordert, sondern eine faire Repräsentation der Bevölkerung in ihren unterschiedlichen Facetten. Und überhaupt, ist «Quote» nicht einfach ein negativ behaftetes Wort für Repräsentation? Müssen sich Frauen und queere Personen wirklich daran stören? Schliesslich wurde sogar der Tessiner Bundesrat Ignazio Cassis unter anderem aufgrund seines Herkunftskantons gewählt. Er ist sozusagen ein «Quotentessiner». Daran scheint sich im Gegensatz zu «Quotenfrauen» niemand zu stossen.

Mehr Frauen und queere Menschen im Parlament bedeutet nicht, dass heterosexuelle cis Männer nicht mehr repräsentiert sind. Es bedeutet, dass unsere Gesellschaft gleichmässiger abgebildet und vertreten wird. Frauen und queere Menschen haben dadurch verbesserte Möglichkeiten, gehört zu werden und in der Legislative mitzubestimmen. Ein heterogeneres Parlament eröffnet neue Horizonte. Wichtige Themen, welchen bisher keine oder nur am Rand Beachtung geschenkt wurde, können in den Fokus gelangen.