Am 15. Mai stimmen wir über das neue Filmgesetz, bekannt unter dem Namen «Lex Netflix», ab, welches der Bundesrat und das Parlament in der Herbstsession 2021 verabschiedeten. Dann ergriffen die Jungfreisinnigen, Jungen Grünliberalen und die Junge SVP das Referendum dagegen.
Es ist keine Abstimmung über Netflix, wie das aktuell im einseitigen Narrativ der Nein-Kampagne erscheinen mag. Wenn es hier allein um die Preispolitik unserer Netflix-Abo-Preise gehen würden, hätten sich wohl nicht so viele verschiedene Interessensgruppen, Verbände und Politiker*innen für die Revision unseres veralteten Filmgesetzes eingesetzt. Abgesehen davon, wie toll wäre es, wenn wir mit unseren demokratischen Mittel direkt über unsere Netflix-Abo-Preise abstimmen könnten?
Warum wir aber von «Lex Netflix» im Interesse der Gegner*innen sprechen, liegt auf der Hand: Weil es keine anderen überzeugende Argumente gibt, weshalb wir gegen eine Förderung der Film- und Audioproduktion und somit auch gegen eine Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Schweiz stimmen sollten. Wäre auch widersprüchlich, mit dem Blick ins eigene Parteihandbuch, oder? Die gewöhnlichen Argumente wie «die liberale Wirtschaft wird eingeschränkt», machen bei dieser Gesetzesrevision nämlich wenig Sinn: Ein «liberaler Wettbewerb» ist eben dann möglich, wenn wir die gleichen Bedingungen wie unsere Nachbarländer haben, nicht wenn wir auf einem veralteten Filmgesetz ruhen, welches dem aktuellen Zeitgeist schlicht nicht mehr gerecht wird.
Die konkrete Gesetzesänderung sieht vor, dass neu auch Streaming-Plattformen 4% ihrer in der Schweiz erzielten Bruttoeinnahmen in inländische Filmproduktionen reinvestieren. Diese Pflicht gilt heute bereits für Schweizer Fernsehsender, nicht aber für internationale Streaming-Giganten, die in der kaufkräftigen Schweiz durch Abo-Einnahmen enorm hohe Profite machen. So macht z.B. Netflix alleine in der Schweiz monatlich schätzungsweise 17 Mio. Franken Umsatz durch Abo-Einnahmen.
Neue technologische Möglichkeiten verlagerten im letzten Jahrzehnt unseren Konsum von audiovisuellen Inhalten im linearen Fernsehen auf digitale Angebote – also auf Streaming-Plattforme. Es wird Zeit, dass das veraltete Filmgesetz dem technologischen Wandel angepasst und dem immensen Geldabfluss ins Ausland entgegengesteuert wird: Neu sollen auch Streaming-Plattforme etwas zurück in unsere Wirtschaft und Film-Kultur investieren.
Der Filmkonsum trägt massgeblich dazu bei, wie wir die Welt sehen und wahrnehmen. Gerade in jungen Jahren, formen wir unsere Realität durch äussere Einflüsse und Eindrücke. Auf ein Filmangebot von ausserhalb der Schweiz zugreifen zu können, ist wichtig. Es soll aber nicht nur das sein. Mit dem neuen Filmgesetz schaffen wir Anreize für Streaming-Plattforme wie Netflix, Amazon Prime Video oder Disney+ auch in der Schweiz Koproduktionen anzustreben oder in andere inländische Produktionen zu investieren.
Die Investitionspflicht gilt bereits in den meisten unserer Nachbarsländer, auch deshalb entstehen erfolgreiche Produktionen wie «La Casa de Papel» in Spanien, «Lupin» in Frankreich oder «Suburra» in Italien.
Bereits heute sind Schweizer Fernsehsender dazu verpflichtet, mindestens 50% europäische Filme und Serien auszustrahlen. In sämtlichen Ländern der EU ist eine Mindestquote von 30% festgelegt. Neu soll auch für Streaming-Plattformen in der Schweiz die 30% Mindestquote eingeführt werden. So fördern wir inhaltliche und kulturelle Vielfalt. Mit dieser Quote verhindern wir, dass nur die mächtigsten und kapitalistischsten Länder allein noch bestimmen können, was wir zu sehen bekommen.
Mit dem neuen Filmgesetz möchte Bundesrat und Parlament diesem momentan herrschenden Nachteil der Schweiz entgegenwirken und die Film- und Audiovisuelle Branche durch die Einführung einer Investitionspflicht stärken und fördern. Mit den zusätzlichen Einnahmen von geschätzt 18 Mio. Franken profitiert aber nicht nur die Filmbranche. Beispielsweise durch Zunahmen von Dreharbeiten in der Schweiz profitieren ebenso die gesamte Wirtschaft, der Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Dies dank angemessener Investitionspflicht für die grossen, profitablen Konzerne – statt auf Kosten der 99%.
Amina Ghoneim