Vor zwei Wochen wurde Nadia Kuhn vom Parteitag der JUSO Kanton Zürich zur kantonalen Co-Präsidentin gewählt. In ihrer Rede am Parteitag sprach sie über ihre Ziele und ihre Motivation.
"Vor einigen Wochen meinte ein Klassenkamerad zu mir, es sei doch jetzt dann langsam genug mit unserem Feminismus. Wir hätten doch schon längst Gleichstellung, und überhaupt, vielleicht sei diese übrig gebliebene Ungleichheit natürlich, ob ich daran nicht schon mal gedacht hätte?
Diese Argumentation kam mir nur allzu vertraut vor. Bürgerliche Politiker_innen finden schon seit Jahren, jetzt sei doch langsam genug getan worden – sei es im Bezug auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Umweltschutz, Ausbau des Sozialstaates oder Diskriminierungsbekämpfung.
„25-Stundenwoche? Wollt ihr denn die Wirtschaft zerstören? Obligatorische Lohnanalysen, um den gender pay gap zu beheben? Viel zu bürokratisch! Ausserdem hätte sich die Lohnungleichheit ja verbessert in den letzten Jahren, und es daure nur noch bis 2079, dann sei der gender pay gap von alleine verschwunden. Diskriminierungsschutz für queere Menschen oder ein Verbot von Racial Profiling – ist das wirklich nötig? In anderen Ländern ist die Situation doch noch viel schlimmer! Und überhaupt: wie viel wollt ihr denn noch?“
Nun, liebe Genossinnen, liebe Genossen, ich kann diese Frage beantworten. Ich will eine offene Welt ohne Grenzen, eine Welt, in der es keinen Grund zur Flucht mehr gibt, oder Flüchtende zumindest mit offenen Armen empfangen werden. Ich will eine Welt, die allen Menschen ein Leben in Freiheit und Würde garantiert, ich will eine Welt, in der die Wirtschaft den Menschen dient und nicht umgekehrt, eine Welt, in der anstelle eines bliden Wachstumsglaubens und Profitstrebens die Vereinbarkeit von Produktion und Umweltschutz im Zentrum stehen, ich will eine Welt, in der Care Arbeit als Arbeit anerkannt wird und von der Gesellschaft mitgetragen wird, ich will eine Welt, in der egal ist, was für ein Geschlecht, Sexualität, Haut- oder Passfarbe, Herkunft, Religion oder Aussehen eine Person hat. Ich will eine Welt, in der Leistungsdruck und Burn out veraltete Konzepte sind, die nur noch für Historiker_innen interessant sind und in der Menschen mit psychischen und physischen Krankheiten nicht stigmatisiert, sondern in die Gesellschaft inkludiert werden.
Ich will mich nicht abspeisen lassen von den Brotkrumen, die die Bürgerlichen für uns übrig lassen. Ich will mich nicht begnügen mit dem Status Quo, nicht solange das eine Prozent auf Kosten von uns allen immer reicher wird, nicht solange jede dritte Frau* in Europa sexualisierte Gewalt erleben muss, nicht solange Maskulinität immer noch mit „“ verbunden wird und nicht solange unsere Umwelt in blinder Profitgier immer weiter ausgebeutet und zerstört wird.
Die JUSO zeigte mir, dass mein Glaube daran, die Welt zum Besseren verändern zu können, keineswegs naiv und blauäugig ist, ja, ich bin mittlerweile sogar zu der Überzeugung gekommen, dass es viel naiver ist, unser heutiges System einfach so stillschweigend zu akzeptieren. Mit euch zusammen lernte ich in den letzten Jahren so viel, und konnte über mich hinauswachsen. Zusammen haben wir diskutiert, geplant, demonstriert und gekämpft, und natürlich auch mal zusammen ein Bier getrunken. Oder auch zwei. Ihr seid meine politische Heimat, meine Freund_innen, Mitstreiter_innen und Genoss_innen, und es ist mir eine Ehre, an eurer Seite zu ändern, was uns stört. Venceremos!"
26.03.2018