Rechte: Auch im Schlafzimmer!

13.04.2009

Laut einer Studie am Institut für medizinische Psychologie der Charité Berlin, kommt nur ungefähr jede zweite Frau beim Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner zum Orgasmus. Rund 17 % der Frauen in Nordeuropa haben noch nie einen Orgasmus erlebt, das ist immerhin fast ein Fünftel, teilt Gynäkologe Peter Hauser vom Vorstand Berufsverband Frauenärzte Deutschland mit.

Eine Gynäkologin in der Schweiz sagt, dass 30 % ihrer Patientinnen Sex nicht nur nicht erfüllend und befriedigend, sondern richtiggehend unangenehm oder sogar schmerzhaft empfinden. Dies sind ein paar Fakten aus aktuellen Studien zum Thema weibliche Sexualität. Dass Sexualität zu unserem Leben gehört wie Essen und Trinken, arbeiten und schlafen, macht klar, dass Sexualität immer im gesellschaftlichen Kontext steht. Herrschende Strukturen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse beeinflussen unseren Umgang mit Sexualität also sehr stark. Wie man mit Sexualität im öffentlichen und im privaten Leben umgeht, welche Rolle die Frau dabei einnimmt oder ihr zugewiesen wird, hängt somit auch vom Demokratisierungsgrad der jeweiligen Gesellschaften und der Stellung der Frau, also der erreichten gesetzlichen und gesellschaftlichen Gleichberechtigung in dieser Gesellschaft ab. Die Frau hat jahrhunderte lang dazu gedient den Mann zu befriedigen und Kinder zur Welt zu bringen, dass sie dabei selbst Lust empfinden kann, ist ihr all die Jahrhunderte durch abgesprochen worden. Erst mit der sexuellen Revolution der 70er Jahren wurde es zu einem Thema.

Doch wohin hat uns diese Revolution gebracht? Dass noch heute die Frau einzig dazu da ist, ihren Mann zu befriedigen, ihrem Mann zu gefallen, liegt nicht nur an den von der Werbung, Medien und Pornoindustrie verbreiteten Frauenbild. Sexualität ist, obwohl wir ihr tagtäglich in den Zeitungen, Zeitschriften, Fernseher und Internet begegnen, weiterhin ein Tabuthema. Über seine Wünsche und Erwartungen zu reden ist noch lange nicht selbstverständlich. Seine eigenen Vorlieben selbst zu erproben, noch heute ein Tabu. Erfahrungen auszutauschen eher selten. Man redet zwar über nichts anderes mehr als übers ficken und bumsen, über Titten und Schwänze, Dreier und GangBang und diese Gespräche beginnen oft noch im Kindsalter, aber um die Aufklärung der Jugendlichen steht es laut zahlreichen Umfragen in der Schweiz, Deutschland und Österreich eher schlecht. Schwangerschaftsabbrüche bei Teenagern nehmen zu, der gesellschaftliche Druck Sex zu haben lässt Jugendliche immer öfter ahnungslos in ein aktives Sexleben stürzen. Dabei haben vor allem die Mädchen und auch die Frauen mit einem Bild zu kämpfen, das von ihnen in den Medien, in Kinofilmen, in der Werbung und insbesondere in der Pornoindustrie, die heute auch dank dem Internet für alle zugänglich geworden ist, vermittelt wird. Frauen werden als Lustobjekte nicht nur in pornographischen Darstellungen, sondern auch in ganz normalen Filmen gezeigt. Und nicht nur, dass sie immer willig sind, sich immer den Wünschen der Männer beugen, sondern auch wie sie dabei auszuschauen haben. Wir stehen unter einem enormen Erwartungsdruck, wollen wir nicht, sind wir prüde, haben wir nicht die Massen 90-60-90 sind wir nicht begehrenswert, können wir uns nicht verrenken wie Schlangenmenschen, sind wir nicht aufregend, lassen wir uns nicht ins Arsch ficken, sind wir altmodisch.

Die Gesellschaft und insbesondere die Frauen stehen also von vielen Seiten unter Druck. Was sind politische Handlungsmassnahmen? Zu allererst muss die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Sexualität und ihrem Dasein in der Realität überwunden werden. Für junge Menschen muss man bei der Bildung ansetzten. Es kann und darf nicht sein, dass Jugendliche, Buben und Mädchen durch pornographische Darstellungen im Internet und im Fernsehen ein Bild der Sexualität eingehämmert bekommen, das so in der Realität nicht existiert. Wir müssen uns nicht wunder, wenn Jugendliche ihre Kollegen zum Sexspiel mit ihrer Freundin mitbringen und keiner mehr mit Respekt und Grenzen umgehen kann. Pornographie ist nicht an und für sich etwas schlechtes, aber die Rolle, die die Frauen in den Pornos spielen, die öffentlich zugänglich sind, auch für Jugendliche, müssen bekämpft werden. Sexualkunde in der Schule darf sich also nicht nur auf biologische und anatomische Wissensvermittlung beschränken, sondern muss sich mit den Bildern, die den Jugendlichen in der Werbung, im Fernseher und im Internet vermittelt werden, auseinander setzten. Gleichstellung und Gleichberechtigung beginnt eben nicht erst bei gleichem Lohn für gleiche Arbeit, sondern bereits im Schlafzimmer. Frauen müssen sich nehmen, was ihnen zusteht!