Sehr geehrte Frau Ratspräsidentin
Sehr geehrte Bildungsdirektorin
Sehr geehrte Kantonsrätinnen und Kantonsräte
Liebe Besucherinnen und Besucher
“Education is the most powerful weapon which you can use to change the world.” - sagte Nelson Mandela und sprach damit an, was wir alle wissen: Bildung ist das höchste Gut einer funktionierenden Gesellschaft, denn sie ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Ohne Bildung ist Demokratie anfällig für Demagogie und Hetze, erst sie ermöglicht dem Menschen kritisches Denken, die Fähigkeit eigene Gedanken zu entwickeln, die Möglichkeit unabhängig und selbstbestimmt zu leben. «Und sie dreht sich doch», sagte Galileo Galilei, als alle Menschen noch glaubten die Sonne drehe sich um die Erde, und siegte damit als gebildeter Mensch über den Glauben. Mit der Aufklärung siegte die Bildung denn auch über klerikale Lehren, wobei mehr und bessere Bildung auch heute noch besonders in einigen kirchlichen Kreisen angebracht wäre, zum Beispiel bei Bischof Vitus Huonder, wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist.
Im 19. Jahrhundert wurde in der Schweiz auch die Volksschule, die öffentliche Bildung, zum Thema, ein Erfolgsmodell par exellence, dass uns der Chancengleichheit einen Schritt näher brachte. Seit 1874 gilt nämlich die allgemeine Schulpflicht, mit der der obligatorische, doch kostenlose Schulbesuch aller Kinder einhergeht. So konnte erreicht werden, dass Bildung nicht mehr einigen privilegierten, elitären Kreisen vorenthalten wurde, sondern der ganzen Gesellschaft offenstand – und ihr noch weiter offensteht. Bildung bleibt aber mehr als eine Möglichkeit oder Pflicht, sie ist vor allem ein Grundrecht und es ist die Aufgabe unserer Gesellschaft dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Bildungswege allen zugänglich sind, egal ob reich oder arm und egal ob die Eltern in der Schweiz oder im Ausland aufgewachsen sind.
Kann es sein, dass die Kinder des Zürichberg zu 57.7% an Maturitätsschulen gehen, also pro Klasse etwa 15, während im Schlieren lediglich 12.8% pro Klasse ins Gymnasium kommen, also etwa 3? Darf es sein, dass in der Schweiz immer noch das Portemonnaie der Eltern die persönliche Entwicklung des Kindes beeinflusst, dass zum Zeitpunkt meiner Geburt zu einem hohen Grad definiert war, welchen Weg ich einmal einschlagen würde?
Kosten für Bildung bedeuten einen Verlust an Freiheit, sie hemmen die freie und selbstbestimmte Entwicklung der Menschen in diesem Land, weil finanzielle Hürden Hürden sind und Hürden abgebaut werden müssen.
Als wir 2009 mit einem bedeutenden Protest eine Verdoppelung der Studiengebühren im Kanton Zürich abgewendet haben und 2012 vor einer weiteren Gebührenerhöhung standen, war für uns klar, dass wir nicht länger nur reagieren wollen. Jahr für Jahr werden in diesem Kanton Steuern für Superreiche abgeschafft und bei der Bevölkerung gespart, davor wollen wir heute die Bildung schützen! Bildung gehört zum Service Public und für uns ist es sonnenklar, dass es sich der Kanton Zürich in seiner Vorbildfunktion leisten können muss, Bildung auf allen Stufen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Bildungsinitiative kostet 110 Millionen Franken pro Jahr und das ist weniger als ein Prozent des kantonalen Haushaltes und führt zu mehr Wohlstand und zu mehr Gerechtigkeit. Wir sagen Nein zum Abbau vom Service Public, Nein zu immer teurerer Bildung und vor allem Nein zur Zweiklassengesellschaft, die genau dann entsteht, wenn beim Zugang zur Bildung Hürden bestehen.
In drei Wochen beginne ich an der Universität Zürich, Volkswirtschaft zu studieren und es ist wirklich eine hübsche Rechnung, die semesterweise ins Haus flattert. Studiengebühren sind ein Thema: Wie viele Menschen entscheiden sich gegen ein Studium, weil sie es sich nicht leisten können?! Als Vollverdiener kann man gut sagen, dass die 1'000.- pro Semester kein Problem seien, bei 100'000.- Jahreseinkommen sind die zweitausend Franken im Jahr schliesslich ein Fünfzigstel des Einkommens. Ein Student oder eine Studentin, der oder die neben dem Vollzeitstudium noch ein Praktikum macht oder am Wochenende arbeitet, kann jedoch kaum mit mehr als einem Jahreseinkommen von 12'000 Franken rechnen. In diesem Fall sind die Studiengebühren auf einmal ein Sechstel des Lohnes und machen somit einen kaum verkraftbaren Teil der Ausgaben aus.
Und das Problem beschränkt sich längst nicht nur auf die Universitäten. Meine Nachbarin macht eine Lehre als Kauffrau und auch sie war erstaunt, als sie ihren ganzen ersten Monatslohn für Schulbücher ausgeben musste. Denn 600.- sind viel für junge Menschen in der Lehre.
Schlussendlich geht es vor allem um den politischen Willen. Bildung als Grundrecht und kostenlose Bildung als Service Public, als Pionierprojekt in der Schweiz ist das Dogma der Zukunft und eines starken und florierenden Kanton Zürich.
Sie, liebe Kantonsrätinnen und Kantonsräte können heute auch Nein stimmen zu mehr Chancengleichheit, nein zu besserer Bildung, nein zu Fortschritt. Sie können heute finden, dass Menschen aus finanziell schlechter gestellten Verhältnissen schlechtere Bildungschancen haben sollten, Sie können weiterhin gegen Migrantinnen und Migranten hetzen, die eher in die Arbeitslosigkeit fallen, die eher zu den Working Poor gehören und ihnen mit einem Nein ihre Chancen zerstören, Sie können heute die Hürden zu guter Bildung erhöhen und die Herkunft bestimmen lassen, was aus einem Menschen wird. Sie können heute zulassen, dass diese Gesellschaft sich immer mehr auseinander bewegt, immer mehr zu einer Zweiklassengesellschaft wird, selbst im Kanton Zürich zwischen dem Zürichberg und Schlieren.
Doch es geht auch anders: Heute können Sie, sehr geehrte Damen und Herren, endlich den Unterschied machen. Ich bin mir bewusst, dass vielen von Ihnen diese Forderung radikal erscheint. Zu radikal vielleicht. Für mich ist sie ein Traum. Sie ist der Traum einer Gesellschaft, die ihre Hoffnung in die Kraft und die Energie der Jugend setzt. Eine Gesellschaft, die sich verändern und entwickeln lassen will. Eine Gesellschaft, die nicht nach dem Motto funktioniert, wer hat dem wird gegeben. Eine Gesellschaft, die Freiheit nicht als Privileg, sondern als Recht versteht. Und die weiss, dass es Freiheit ohne Chancengleichheit nicht gibt.
Heute können Sie Ja sagen zu besserer Bildung, Ja sagen zur Chancengleichheit, zur Gerechtigkeit, Ja sagen zu einem Kanton Zürich, in dem die Herkunft keine Rolle spielt und in dem jede und jeder die gleichen Rechte und die gleichen Chancen hat und sich frei von finanziellen Hürden und frei von Diskriminierung und Benachteiligung entwickeln kann.
Nun, geschätzte Kantonsrätinnen und Kantonsräte, ist es an der Zeit zu zeigen, auf welcher Seite Sie stehen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Oliver Heimgartner
Co-Präsident JUSO Kanton Zürich
Mitglied BIZH Kommitee