SEENOTRETTUNG IST KEIN VERBRECHEN

20.10.2019 - Marco Bechtiger

Vor den Küsten Europas ereignet sich derzeit eine humanitäre Katastrophe. Alleine in diesem Jahr verloren bisher knapp 1000 Menschen auf der Flucht ihr Leben im Mittelmeer. Anstatt zu handeln, setzt Europa auf Abschottung und kriminalisiert diejenigen, die nicht einfach zusehen wollen.

Wer in einem Schweizer Gewässer schwimmen geht, kann sich sicher fühlen. Meist ist ein*e Bademeister*in in der Nähe, der*die in der Not eingreifen könnte. Im Falle eines Unglückes steht innert Minuten ein grosses Aufgebot an Rettungskräften bereits.

Wer vor Krieg, Gewalt und Verfolgung flieht, kann sich alles andere als sicher fühlen. Während ihrer Überfahrt über das Mittelmeer haben Menschen auf der Flucht keinerlei Schutz. Im Gegenteil. Bis im März 2019 patrouillierten Boote der EU-Operation SOPHIA im Mittelmeer. Während diese Mission zwar die Bekämpfung von Schlepper*innen zum Ziel hatte, rettete sie auch tausende Flüchtende aus dem Mittelmeer. Der Einsatz von Schiffen im Rahmen der Operation wurde auf Drängen Italiens beendet. Heute beschränkt sich SOPHIA ausschliesslich auf die Luftüberwachung sowie die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Die libysche Küstenwache wiederum soll Flüchtlinge aufgreifen, bevor sie internationales oder gar europäisches Gewässer erreichen und zurück nach Libyen bringen. In ein Land, in welchem ein blutiger Bürgerkrieg tobt und die Flüchtenden weder Schutz noch medizinische Versorgung erhalten.

Die einzigen, welche weiterhin versuchen Flüchtende vor dem Ertrinken zu bewahren, sind private Seenotrettungsorganisationen. Organisationen, welche bitter nötig sind. 2018 starb jede 15. Person, die von Lybien nach Italien flüchtete. 2019 ist es bereits jede elfte.

Anstatt dass Seenotrettung gefördert oder gar wieder in staatliche Hand genommen wird, erlebt sie eine zunehmende Kriminalisierung. Italien und Malta verweigern regelmässig Schiffen mit geretteten Menschen an Bord die Einfahrt in ihre Häfen. Die Schiffe können meist erst nach langen Verhandlungen über die Verteilung der Flüchtenden auf die verschiedenen EU-Staaten einlaufen. Diese Zeit der Ungewissheit stellt für die Flüchtenden ein traumatisches Erlebnis dar. Nach Ankunft in den Häfen werden die Schiffe meist beschlagnahmt und die Kapitän*innen, wie im Fall von Carola Rackete, verhaftet und angeklagt. Sie werden zu Verbrecher*innen gemacht. Dabei begehen sie gar kein Verbrechen, sondern erfüllen einzig ihre Pflicht, Menschen in Not zu helfen. So wie es ein*e Bademeister*in in einer Badi auch tut.