Zum Handelskrieg der USA

17.06.2018 - Christian Gross

Welthandel, Trump, Stahl
Bereits Anfang Jahr hat Trump hohe Zölle auf Stahl und Aluminium angedroht. Ziel war es, die entsprechenden Industrien im „Rust Belt“ zu schützen. Nach einigem hin- und her krebste Trump dann aber zurück: Die Zölle wurden quasi nur auf China angewendet und für die meisten anderen Länder ausgesetzt. Anfang Juni folgte die Eskalation: Trump verlängerte die Ausnahmen nicht, neu sind alle Länder von den Zöllen betroffen. China und die USA drohen sich gegenseitig ständig höhere Importschranken an. Was steckt hinter dem Konflikt, ist damit der globale Freihandel am Ende und wäre dies überhaupt schlimm?
Die Idee von den Vorteilen des Freihandels ist alt. David Ricardo beschrieb den Austausch landwirtschaftlicher Güter: Portugal produziert guten Wein, England viel Wolle. Statt zu versuchen im regnerischen England Wein anzubauen, sollte besser Wolle nach Portugal exportiert und dafür Wein importiert werden. So weit, so schlüssig.
Das Konzept stösst allerdings an seine Grenzen, sobald Arbeitslosigkeit berücksichtigt wird. Das Angebot an bezahlten Arbeitsplätzen hängt letztlich vom Absatz der heimischen Firmen1 ab – und dieser entspricht genau der inländischen Nachfrage plus Nettoexporte (Exporte minus Importe). Das politische Mantra „Arbeitsplätze schaffen“ kann also erfüllt werden, wenn die Exporte erhöht und die Importe gesenkt werden. Die heimischen Firmen produzieren dann mehr und stellen mehr Menschen ein, Verlierer*innen sind die Firmen im Ausland – und die Menschen, die von ihnen entlassen werden.
Logisch, dass niemand zu den Verlierer*innen zählen will. Entsprechend versuchen quasi alle Staaten, immer mehr zu exportieren. Dies geht offensichtlich nicht auf: Jeder Export muss in einem anderen Land als Import wieder auftauchen. Die Nettoexporte der gesamten Welt betragen Null! Der Welthandel wird so zu einem absurden „alle gegen alle“, bei dem es am Ende Verlierer*innen geben muss.2 Einerseits verlieren die Länder, die nicht billig genug produzieren können – sie haben mit wachsender Arbeitslosigkeit zu kämpfen in einem System, welches eine bezahlte Stelle quasi zur Grundbedingung für ein menschenwürdiges Leben macht. Aber auch die Exportländer haben Probleme: Oft werden die Exportüberschüsse nur durch sehr tiefe Löhne möglich. Die deutschen Arbeiter*innen haben wenig vom Titel „Exportweltmeister“.
Zurück zu Trump: Seine Strafzölle betreffen in erster Linie Stahl und Aluminium – Güter, die sich durch massive globale Überkapazitäten auszeichnen. So betragen die Überkapazitäten beim Stahl rund 750 Mio. Tonnen jährlich – das entspricht fast 50% der Weltproduktion. Dies ist jedoch nicht aussergewöhnlich, sondern die normale Folge des „alle gegen alle“ im Welthandel: Wenn jeder Staat mit seiner Wirtschaft versucht, immer mehr zu exportieren, müssen zwingend immer höhere Kapazitäten aufgebaut werden. Ohne Überkapazitäten ist es nicht möglich, andere vom Markt zu verdrängen – weil deren Produktionsleistung dann ja dringend benötigt würde.
Trumps Zölle sprechen diese Probleme zwar irgendwie an – lösen sie aber nicht. Sein Nationalismus führt im besten Fall dazu, dass die USA gewinnen und andere Staaten verlieren. Im schlechtesten Fall verlieren alle. Eine echte Lösung wäre nur mit mehr globaler Kooperation möglich: Über verbindliche globale Mechanismen müssen die einzelnen Staaten dazu gebracht werden, Probleme wirklich zu lösen statt die Arbeitslosigkeit auf andere Staaten abzuwälzen. Denkbar wäre eine aktive Lenkung der Wechselkurse, sodass die Exporte der "Exportweltmeister" zurückgehen. Auch direkte Zahlungen der Länder mit Exportüberschüssen wären eine Möglichkeit, wenngleich sehr schwer durchsetzbar. Diese Vorschläge lösen zwar nicht alle Probleme der Welt, würden aber immerhin das Handelssystem gerechter machen. Um die Probleme grundsätzlicher zu lösen, muss unser auf brutaler Konkurrenz aufgebautes Wirtschaftssystem neu überdacht werden.
Christian Gross ist Sekretär der JUSO Kanton Zürich. Der hier geschriebene Text baut auf den Diskussionen vom Politznacht vom 18.5. auf.
1 Genauer gesagt: Im Land stattfindende Produktion. Wo die entsprechende Firma ihren Sitz hat ist zweitrangig, wichtig ist wo die Löhne ausbezahlt werden.
2 Gemäss einer breit akzeptierten Theorie steigt der Wert der Währung eines Landes mit Exportüberschuss, was die Produkte im Ausland verteuert und so die Exporte wieder verringert. Dieser Effekt mag zutreffen, ist aber scheinbar zu wenig stark um die Exportüberschüsse auszugleichen. Einzelne Länder erzielen jahrzehntelang Exportüberschüsse, andere jahrzehntelang Importüberschüsse.