Positionspapier: Freiräume statt Verdrängung!

01.01.2015

Forderungspapier der JUSO Kanton Zürich für eine selbstbestimmtere, offenere und freiere Gesellschaft

Die öffentliche Debatte um Tanzdemos, illegale Partysund teure Ausgangspreise der letzten Wochen und Monate hat gezeigt, dass ein breites Bedürfnis nach Freiräumen und ein Klärungsbedarf der gesellschaftlichen und politischen Rolle von Verboten und sozialer Verdrängung besteht. Freiräume werden heute vielerorts eingeschränkt und abgeschafft. Die JUSO erachtet diese Entwicklung als höchst bedenklich und legt mit diesem Papier einen breiten Forderungs-und Massnahmenkatalog vor, um dies zu ändern.

Die marktkonforme Gesellschaft überwinden!

In der modernen kapitalistischen Gesellschaft der Schweiz besteht ein grosses Interesse der Herrschenden nach konformem und produktivem Verhalten einerseits und Ruhe und Ordnung andererseits. Nur angepasste, fleissige und produktive Menschen sind in der Lage Mehrwert zu schaffen und so den Reichtum von ein paar wenigen zu vergrössern. Um diese Interessen durchzusetzen, existieren in unserer Gesellschaft zahlreiche Verbote und Konventionen, welche die Menschen zu braven BürgerInnen, unkritischen ArbeitnehmerInnen und kauffreudigen KonsumentInnen machen sollen. Diese Verbote und Konventionen sind und waren aber immer Ergebnis und Gegenstand gesellschaftlicher Machtverhältnisse und politischer Diskurse. Es ist an uns, die Verbote bis auf ein sinnvolles Mass abzuschaffen und die einengenden Konventionen zu überwinden. Die Gesellschaft darf nicht länger einseitig auf die Wirtschaft ausgerichtet sein. Die marktkonforme Gesellschaft muss überwunden werden, um Raum für persönliche Entfaltung, politisches Engagement und sozialen Fortschritt zu ermöglichen.

Den repressiven Diskurs brechen!

Repressive PolitikerInnen, sogenannte „ExpertInnen“ und die Medien stellen selbst kleine Überschreitungen von Einzelpersonen so dar, als sei die Jugend als ganzes ein riesiges Sicherheitsproblem. Repression bewirkt aber genau das Gegenteil des Versprochenen und ist nicht Teil einer Lösung. Repression bestraft lediglich die grosse Masse, die sich absolut korrekt verhält. Die Jugend will und braucht Freiräume, um sich zu entfalten. Auf der gesetzlichen Ebene muss deshalb der Jugend diese Möglichkeit eingeräumt werden. Es braucht einen Wandel im heutigen Denken der Gesellschaft: es soll sich die Erkenntnis durchsetzen, dass eine tolerantere Gesellschaft durch ihre Vielfalt Identität schafft und damit eine freiere und demokratischere Gesellschaft ermöglicht. Wir fordern ein neues Denken, das Misstrauen, eine Art vonEthnozentrismus ablehnt und das anerkennt, dass Akzeptanz Solidarität schafft und Solidarität einer der fundamentalen Werte der Menschheit ist.

Verdrängung im öffentlichen Raum

Im öffentlichen Raum zeigt sich die Verdrängung von Menschengruppen, Menschenansammlungen und letzten Endes des Lebens am deutlichsten. Mit immer neuen Regeln, mit immer neuen Sicherheits-und Überwachungsinstrumenten und mit der immer sterileren und normierteren Gestaltung des öffentlichen Raums werden Normen etabliert, gegen die nicht verstossen werden darf, und werden Räume geschaffen, die nicht für alle gleichermassen zugänglich sind. Diese Entwicklung trifft zuerst Randständige, Jugendliche und AusländerInnen. Aber auch alle anderen Menschen werden zu einem Verhalten im öffentlichen Raum erzogen, das nichts mit selbstbestimmtem Handeln zu tun hat. Gleichzeitig schreitet eine andere Entwicklung voran: Ein Abbau des öffentlichen Raums und dessen Privatisierung über weite Teile.

Verlagerung hin zu privatem Raum

Private Räume übernehmen zunehmend Funktionen, die früher eigentlich dem öffentlichen Ort zugeordnet wurden. Einkaufszentren und private Parks dienen als Treffpunktefür zahlreiche Menschen. In privaten Räumen hat man sich aber den Profitinteressen der Eigentümer unterzuordnen und muss konsumieren, hat sich konform zu verhalten oder wird ausgeschlossen. Dies führt zu einer angepassten Haltung der Menschen einerseits und zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt andererseits. Dass ausserdem eine schrittweise Annektierung des öffentlichen Raums durch private Sicherheitsfirmen stattfindet, ist zusätzlich problematisch, da diese Entwicklung sich auch dort fortsetzt.

Repression auf gesetzlicher Ebene

PolitikerInnen von links bis rechts versuchen repressive Gesetzte zur Bevormundung der Jugend zu etablieren. Unter dem Vorwand „Gewalt“, „Sachbeschädigung“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ überbieten sich die PolitikerInnen gegenseitig mit neuen repressiven Forderungen. Es wird immer mehr reguliert, verboten und überwacht. Polizeigesetze und insbesondere die Polizeiverordnungen regeln mittlerweile nicht mehr nur die Grundzüge und Aufgaben der Polizeiarbeit, sondern sind eine Liste von Verboten und Strafmassnahmen, welche oftmals extra wegen der „störenden“ Jugend eingeführt wurden. Gesetze dürfen aber nie die persönliche Freiheit von einer Gruppe Menschen einschränken, sondern Gesetze müssen dafür da sein, jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu garantieren.

Unsere Forderungen

Stopp der Verbotskultur und Diskriminierung:

Was als störend empfunden wird, wird heute mit Verboten und Regelungen bekämpft – einer Verbotskultur ähnlich. Gibt es beispielsweise in einem Parkein Problem, wird schnell ein Betretungsverbot für Jugendliche eingeführt anstatt nach Lösungen zu suchen. Lösungen bieten die Verbote und Diskriminierungen freilich keine. Sie schränken die Freiräume und Persönlichkeitsrechte der Betroffenen aber massiv ein und sind meist willkürlich.

  • Kein Alkoholverbot im öffentlichen Raum: Der Konsum von Alkohol wird heute von vielen als Störung der öffentlichen Ordnung wahrgenommen und nicht selten fordern PolitikerInnenein Verbot. In Zürich beispielsweise ergreift die Polizei Wegweisungen und Rayonverbote, wenn in öffentlichen Parks Alkohol konsumiert wird.1Wir wollen diese Intoleranz und Willkür nicht akzeptieren, der öffentliche Raum gehört uns allen!
  • Kein Alkoholverbot an (Sport-)Veranstaltungen: Unter dem Vorwand „zur Vermeidung von Gewalttätigkeiten“2kann in der Stadt Zürich der/die PolizeivorsteherIn ein Ausschankverbot für normales Bier verhängen. Diese Regelung ist absolut willkürlich und hat noch keine Gewalttätigkeiten verhindert.
  • Kein Ausgehverbot: In einzelnen Gemeinden wurde versucht, ein Ausgehverbot für Minderjährige durchzusetzen. Ein krasser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Die JUSO hat schon im Jahr 2008 das Ausgehverbot in Dänikon ZH erfolgreichbekämpft.
  • Kein Rumhängeverbot: Der Jugend wird immer weniger gestattet, sich an einem zentralen Ort rumzuhängen und sich zu treffen. Es werden Parkbänke entfernt, Mosquito-Lautsprecher zum Vertreiben von Jugendlichen installiert und Verbote erlassen, sich an bestimmten Orten zu treffen. Hilft dies noch immer nichts, greift man gerne zu Wegweisungen und Rayonverboten. Dabei scheint es niemanden zu kümmern, dass das verfassungsmässige Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt wird.
  • Kein Badeverbot, Feuerwerksverbot, Campierverbot oder Spukverbot: Jede kleinste Störung wird mit einem Verbot bekämpft. Im heutigen gesellschaftlichen Diskurs wird ein Verbot als Lösung des Problems betrachtet, in Tat und Wahrheit ist es aber das Gegenteil von gesellschaftsliberal.
  • Keine Altersbeschränkungen in Bars und Clubs: In Clubs und immer mehr auch in Bars sind Altersbeschränkungen üblich. Einzelnen Personen wird aufgrund ihres Alters den Eintritt verwehrt, da sie nicht ins Geschäftsmodell passen. Das ist diskriminierend.
  • Kein Rassismus bei Eingangskontrollen: Es kommt leider immer wieder vor, dass Menschen aufgrund ihrer Ethnie keinen Zugang in Bars und Clubs erhalten. Es braucht Massnahmen, um diesen offenen Rassismus zu unterbinden.

Ja zur Kultur für alle

Kulturförderung über die öffentliche Hand geschieht heute sehr einseitig zu Gunsten von traditionellen Kulturinstitutionen. Allein das Opernhaus Zürich erhält mit jährlich über 78 Mio. Fr. Subventionen mehr als 90 % aller Betriebsbeiträgen des Kantons an Kulturinstitutionen.3Jugendkultur und alternative Kulturformen können nur sehr wenig auf Unterstützung in Form von Subventionen und Infrastruktur zählen. Dabei wäre dies umso nötiger, da die Jugend das kleinste Portemonnaie hat.

  • Mehr Subventionen und Infrastruktur für Jugendkultur: Die heutige Form der Kulturförderung ist höchst ungerecht. Jugendkultur wird (fast) nicht berücksichtigt in der Kulturförderung der öffentlichen Hand. Dementsprechend teuer ist das Angebot für die Jugend. Gleichzeitig wird aber Institutionen wie dem Opernhaus das Geld richtiggehend nachgeworfen, um der meist wohlhabenden Kundschaft das Kulturerlebnis zu vergolden.
  • Günstige Preise für Studenten und Lehrlinge: In den letzten Jahren sind die Preise im Ausgang stark gewaschen, insbesondere auch die Eintrittspreise bei den Clubs. Für Studierende und Auszubildende braucht es deshalb vergünstigte Eintrittspreise.
  • Keine Verdrängung der Jugendkultur: Die Jugendkultur wird durch die staatliche Interessenpolitik zunehmend verdrängt. Dies ist insbesondere in der Stadt Zürich mit der unbedingten Aufwertung von Zürich West sichtbar. Der links-grüne Stadtrat will auf dem Geroldsareal um jeden Preis das neue Kongresszentrum bauen. Den Preis trägt unter anderem auch die Jugend: die beliebten Clubs „Hive“ und „Helsinki“ werden erbarmungslos verdrängt

Nein zur Bevormundung

Neben Verboten sind die Menschen in ihrer individuellen Freiheit auch immer öfter mit anderen Einschränkungen konfrontiert. Mittels Bevormundung will die Gesellschaft insbesondere der Jugend diktieren, wie sie sich zu verhalten hat. Es wird ein Schwarz-Weiss-Denken suggeriert, welches die JUSO verurteilt .Stattdessen fordern wir:

  • Stopp dem Video-und Überwachungswahn: Wo man nur kann, werden Videokameras aufgestellt. Es herrscht das Bedürfnis, immer und überall alles zu sehen und zu überwachen. Weniger Kriminalität entsteht dadurch nicht, es schränkt aber die persönliche Freiheit massiv ein.
  • Keine bevormundenden Präventionskampagnen: Präventionskampagnen florieren, normalerweise bezahlt durch den Staat. Einige mögen sinnvoll sein, doch viele tragen dazu bei, dass die Menschen nur noch in richtig oder falsch kategorisieren. Es werden Probleme benannt, die gar keine sind. Jugendliche mit Bierdose in der Hand werden schnell als Komasäufer wahrgenommen und Ausländer als schlecht integrierte Raser. Die Integrationskampagne des Kantons Zürich ist ein Paradebeispiel für eine ausländerdiskriminierende Integrationskampagne, da AusländerInnen damit pauschal als unzivilisiert dargestellt werden.4
  • Nachtzuschlag abschaffen: Der Nachtzuschlag ist ungerecht und eine Abzocke der Jugend. Darum weg damit!
  • Kein Konsumzwang: Jugendliche, die sich abends im Freien aufhalten, werden immer weniger geduldet. Es wird erwartet, dass sie sich in einer Bar oder einem Club treffen. Dies ist immer verbunden mit einem teuren Konsumationszwang. Die Jugend muss Möglichkeiten haben sich ungezwungen zu treffen.
  • Kein Verkaufsstopp von Alkohol am Abend: Von sogenannten PräventionspolitikerInnenwird immer wieder gefordert am Abend den Alkoholverkauf in Läden einzuschränken. Damit wird die Jugend bevormundet und gezwungen den Alkohol teuer in Bars und Clubs zu konsumieren.
  • Cannabiskonsum tolerieren: In warmen Sommernächten scheint es die Lieblingsaufgabe von PolizistInnen zu sein, harmlose CannabiskonsumentInnen aufzuspüren. Die Polizei kann ihr Mittel sinnvoller einsetzen als KifferInnen zu jagen, die gar keine Probleme machen.
  • Keine Internetfahndung bei Vergehen: Seitdem die Strafprozessordnung auch eine Öffentlichkeitsfahndung bei Vergehen erlaubt, machten die Strafverfolgungsbehörden öfters vom Internetpranger gebrauch. Bei Verbrechen mag diese Massnahme gerechtfertigt sein, bei Vergehen, darunter Landfriedensbruch oder Sachbeschädigung, ist diese Massnahme aber absolut unverhältnissmässig und stellt die TäterInnen öffentlich bloss.

Bürokratieabbau jetzt

Es gibt einige unnötige bürokratische Hürden, die das Nacht-und Partyleben unnötig regulieren. Diese gehören abgeschafft. Wir verlangen:

  • Keine unnötigen Bürokratiehürden: Vor allem in der Stadt Zürich muss man sich um enorm viele Auflagen kümmern, wenn man einen Anlass veranstalten will. Einige Auflagen mögen sinnvoll sein, der bürokratische Spiessrutenlauf ist aber vor allem zeitintensiv, nervenaufreibend und bevormundend.
  • Nachtbus auch ins Zentrum: Nachtbusse fahren heute üblicherweise vom Zentrum, beispielsweise Zürich, in die Agglomeration raus, allerdings gibt es keine Nachtbuslinien wieder ins Zentrum rein. Anstatt leer zurückzufahren, sollen mit diesen Busen Nachtbuslinien ins Zentrum betrieben werden.
  • Keine Bevorzugung von kommerziellen Anlässen: Kommerzielle Anlässe auf öffentlichem Raum werden klar bevorzugt behandeltund erhalten viele Ausnahmeregelungen, während unkommerzielle Veranstaltung meist nicht toleriert werden. Es braucht eine klare Aufwertung der Handhabung zugunsten von unkommerziellen Anlässen.
  • Lärmschutz flexibler gestalten: Mit der heutigen Lärmschutzpraxis wird schon kleiner Lärm als Nachtruhestörung eingestuft. Es braucht am Wochenende flexiblere Richtlinien und eine Anhebung der Lärmschutzgrenze in bestimmten Gebieten.
  • Aufhebung des Tanz-, Kultur-und Sportverbot an hohen Feiertagen: Es ist nicht einzusehen, warum eine Minderheit der restlichen Gesellschaft ihr Freizeitverhalten vorschreibt. Die Konfessionslosen, die JUSO und weitere Jungparteien haben dazu eine Petition5lanciert.
  • Mehr Transparenz und Statistiken: PartygängerInnen sind mit sehr hohen Preisen konfrontiert, sei es beim ÖV mit dem Nachzuschlag oder in Bars und Clubs mit Getränken und Eintritt. Es braucht Transparenz über Einnahmen und Ausgaben der Akteure und eine unabhängige Statistik über die Preis-und Kostenentwicklung. Nur so kann die Abzocke auch wirklich bekämpft werden.

Mehr Freiräume

Der Jugend werden nur wenig Freiräume geboten, es werden gar Freiräume abgeschafft. Es fehlt an Möglichkeiten sich selber zu entfalten und vor allem fehlt es an gesellschaftlicher Akzeptanz, der Jugend Freiräume einzugestehen. Wir fordern hingegen:

  • Keine Verdrängung der Jugend an den Stadtrand: In der Innenstadt von Zürich und Winterthur werden Jugendliche als Störung wahrgenommen. Die Freiräume der Jugend werden an den Stadtrand verdrängt, dies darfnicht sein.
  • Outdoor-Partys legalisieren: Unter Jungen wird es immer beliebter abseits von Konsumzwang ungezwungen zu feiern. Unkommerzielle Partys werden aber nicht erlaubt und dementsprechend auch nicht toleriert. Outdoor-Partys müssen legalisiert werden–auch in der Stadt Zürich, wo mit einer Scheinlösung bloss am Waldrand oder unter der Autobahn Outdoor-Partys geduldet werden.
  • Party-und Jugendkulturkonzept: Tausende von jungen Menschen schwärmen jedes Wochenende in den Ausgang. Ein Konzept zu Freiräumen, Partys und Jugendkultur fehlt aber. Stattdessen wird alles immer stärker reguliert. Es muss im Dialog ein ganzheitliches Konzept erarbeitet werden, das die Anliegen der Jugend ernst nimmt.
  • Autonome Jugendzentren: Es braucht autonome Jugendzentren, wo die Jugend selbstbestimmt und selbstverwaltet und ohne Konsumzwang unter sich sein kann.
  • Keine geschlossenen Parkanlagen: Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass öffentlicher Raum durchgehend für alle zugänglich ist. Leider ist dies nicht überallder Fall. Beispielsweise wird der Platzspitz hinter dem Landesmuseum Zürich über Nacht abgeschlossen. Das muss sich ändern.
  • Keine Kriminalisierung der Graffitiszene: Obwohl Graffitis sich schon längst in der Kunstszene etabliert haben, haben sie in der gesellschaftlichen Wahrnehmung noch immer einen schweren Stand. Es fehlt an Möglichkeiten Graffitis legal zu sprayen.
  • Frei zugängliche See-und Flussufer: Insbesondere rund um den Zürichsee wird der Seezugang durch die Bonzenvillen versperrt. Die Gewässer sind kein Privileg der Reiche, es braucht deshalb durchgehende Uferwege.
  • Party und Menschen statt Autos: Am Wochenende sollen in der Nacht gewisse Strassen autofrei sein.