Positionspapier: Lehre statt Leere!

30.11.2012

Im Kapitalismus werden die Arbeitendenals Ware im Dienst des Kapitals ausgebeutet. Der Grad dieser Ausbeutung ist dabei bei Jugendlichen und speziell Lernenden besonders hoch. Dies liegt daran, dass Jugendliche keine konstante Gruppe sind, man bleibt nicht immer jung, und daher schwerer gewerkschaftlich zu organisieren sind. Auch sind sie politisch nicht wahl-und stimmberechtigt: man muss sich daher kaum vorihren Stimmen fürchten. Dazu kommt, dass Jugendliche in der Regel von ihren Eltern finanziert werden können, man braucht ihnen daher auch keine anständigen Löhne zu bezahlen. Weiter fehlt es Jugendlichen aufgrund ihrer naturgemäss erst 10kleinen Erfahrung oft an Wissen darüber, was ihre Rechte sind und sein sollten.

Als treibende linke Kraft weiss das die JUSO, dass unsere Jugend die Flammeder Revolution bildet. Als Partei des Sozialismus und damit der Arbeitenden ist esunser elementarstes Interesse, besonders auch die jungen Arbeitenden zu organisieren und für unseren Kampf zu gewinnen. Das folgende Papier soll entsprechend eine politische Grundlage für die zukünftige Arbeit unter den Lernenden und jungen Arbeitenden bilden.

Lehre statt Leere!

Das bürgerliche Konzept,«Der Markt regelt alles von alleine», versagt ein weiteres Mal krass, wenn wir uns das Lehrstellenangebot in der Schweiz anschauen. So waren 2012 ca. 3.5% aller 20Jugendlichen arbeitslos. 19'417 junge Personen standen ohneberufliche Perspektive da. Nach den genaueren OECD-Zahlen waren es Ende 2013 gar 10.4%. Jugendliche die nie eine Berufslehre absolvieren konnten, sind besonders von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. So haben 75.8% aller Sozialhilfe-EmpfängerInnen keine Berufslehre abgeschlossen. Anhand dieser alarmierenden Zahlen sieht man wie wichtig die Berufsbildung für unsere Gesellschaft und wie massiv das Marktversagen ist.

Der obligatorische Berufsbildungsfond im Kanton Zürich ist noch kein Allheilmittel sondern nur ein kleiner Schritt zu einer solidarischen Gesellschaft, deshalb muss der Bund auch darüber hinaus aktiv eingreifen. Das Ziel muss sein, dass kein Jugendlicher ohne Ausbildung ist. Eine Möglichkeit besteht darin, öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen zu vergeben, welche Lernende ausbilden. Weiter 30müssen die Beiträge an den Berufsbildungsfonds von Seiten der Unternehmen, besonders derjenigen die keine Lernende ausbilden,erhöht werden.

Eine Berufslehre ist der Einstieg in das Berufsleben. Nach der Ausbildung rückt die Weiterbildung ins Zentrum. Diese kann z.B. die Berufsmatur erfordern. Vielen Lernenden wird die berufsbegleitende Berufsmatur während der Lehre vom Lehrbetrieb jedoch wiederrechtlich verboten, da sie sonst zu viel in der Schule und zu wenig im Betrieb seien. Auszubildende dürfen aber nicht einfach nur als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Deshalb muss es jedem Lernenden offen stehen die BMS während der Lehre zu absolvieren. Betriebe die gegen dieses Recht verstossen, müssen hart bestraft werden.

Ausserdem muss die Zahl der spezialisierten Berufe und spezifischen Ausbildungenreduziert werden. Auch Jugendlichen ohne BMS sollte eine breite Grundbildung ermöglicht werden. Es braucht 40ausserdem Unterstützungskurse, damit eine berufliche Ausbildung trotz schulischen Schwierigkeiten ermöglicht werden kann.

Wir fordern:

  • Die Einführung eines nationalen Berufsbildungsfonds
  • Eine Lehrstellengarantie
  • Die Durchsetzung des Rechtes auf Weiterbildung
  • Eine breite Grundbildung•Vereinheitlichte und verbesserte Stipendien
  • Mindestens zwei Stunden Arbeitszeit pro Woche muss zum Lernen für die Schule zur Verfügung gestellt werden
  • Vollen Zugang der Gewerkschaften an den Berufsschulen

Sicherheit auch für Lernende!

Jährlich verunfallen 24’500 Lernende am Arbeitsplatz. Die Meisten dieser Unfälle könnten verhindert werden. Doch Lernende können in der Realität nicht „Nein“ zu einer Arbeit sagen, bzw. sie wissen oft 55überhaupt nicht, welche Arbeiten in ihrem Beruf gefährlich sind. Auch durch ungenügende Einweisung in neue Arbeiten entstehen viele Unfälle. Oft werden auch Mängel nicht beseitigt, obwohl die Lernenden den Betrieb darauf aufmerksam machen.

Unfälle passieren auch, wenn viel zu lange gearbeitet wird –die tägliche Arbeitszeit darf 9 Stunden nicht überschreiten. Oft können sich die Lernenden aber gar nicht gegen viel zu lange Arbeitszeiten 60wehren. Ein weiteres Problem ist, dass viele Lernende gerade zu Beginn ihrer Lehre oft berufsfremde Arbeiten erledigen müssen. Im Durchschnitt verbringen Lernende im ersten Lehrjahr 50% ihrer Arbeitszeit mit berufsfremden Arbeiten –obwohl diese eigentlich verboten sind! Wenn Lernende die meiste Zeit damit verbringen, Botengänge zu erledigen oder zu putzen, lernen sie nichts, was für ihren Beruf –und somit für die Abschlussprüfungen –wichtig ist. Wenn ein/e Lernende/r sich, nachdem das 65Gespräch im Betrieb gesucht wurde, ans Berufsbildungsamt wendet, wird oft alles nur noch schlimmer. Sie/Er gilt dann schnell als Nestbeschmutzer. Häufig kriegen Lernende zu hören, sie sollen Dankbar sein, dass sie eine Lehrstelle haben und dass das halt so sei in einer Lehre. Oft verspricht der/die Berufsinspektor/in dem/der Lernenden im Gespräch Hilfe, fällt ihm/ihr aber dann in den Rücken und verbündet sich mit dem/der Ausbildungsverantwortlichen. Dabei werden etwa andere 70Lernende aus dem Betrieb, im Beisein des Ausbildungsverantwortlichen,befragt und der Fall so anschliessend herunter gespielt.

Selbst wenn die Fronten total verhärtet sind – ein Lehrvertrag kann nur sehr schwer aufgelöst werden, ohne dass Lernenden Sanktionen in Form eines schlechten Arbeitszeugnisses drohen. Was eigentlich zum Schutz der Lernenden gedacht ist, macht ihnen zuweilen das Leben schwer. Einseitig kann ein Lehrvertrag nur Aufgelöst werden, wenn schwerwiegende Gründe, wie etwa sexuelle Belästigung, vorliegen.

Wenn Lernende also mit ihrem Chef/Ausbildungsverantwortlichen überhaupt nicht klarkommen, dieser mit einer Auflösung aber nicht einverstanden ist, bleiben ihnen zwei Möglichkeiten: falsche Anschuldigungen aufstellen oder die Arbeit verweigern. Beides ist weder sinnvoll noch gut für das 80weitere Arbeitsleben. Wenn ein Betrieb einen Lernenden loswerden will, ist es deutlich einfacher. Falsche Anschuldigungen zu stellen ist in der Machtposition oder Ausbildner deutlich einfacher. Dann kann es heissen: „Du bekommst ein gutes Zeugnis, wenn du einer Auflösung zustimmst. Sonnst können wir auch sagen, du hast geklaut.“

Die Zustände auf dem Berufsbildungsamt müssen verbessert werden, so dass die Interessen der 85Lernenden im Zentrum stehen.Bei der Suche nach einer neuen Stelle muss das Berufsbildungsamt die Lernenden aktiv unterstützen. Sie haben schliesslich die Bewilligung an den vorherigen Betriebdes Lernenden gegeben. Für die Lernenden vergeht viel Zeit, wenn sie den Lehrbetrieb wechseln wollen, und sie erhalten dabei kaum oder gar keine Unterstützung vom Amt.

Bewilligungen für Betriebe werden eigentlich nach strengen Regeln vergeben. Im Betrieb muss ein 90Berufsbildner angestellt sein, der für diese Bezeichnung einen 40 Stunden dauernden Kurs besucht hat. Diese Berufsbildner unterschreiben auch den Lehrvertrag. Ausserdem müssen Gerätschaften vorhanden sein, die für das erlernen des Berufes wichtig sind. Welche Geräte und Einrichtungen vorhanden sein müssen, ist für jeden Lehrberuf geregelt. Diese Dinge sind aber nur wichtig, wenn ein Betrieb das erste Mal Lernende ausbilden möchte. Wenn der Betrieb bereits seit Jahren Lernende 95betreut, finden keine weiteren Kontrollen statt. Gerade in kleinen Betrieben ist seit Jahren einfach der Chef der Lehrmeister und Lernende sind in solchen Betrieben oftmals auch als günstige Mitarbeiter angestellt. Deshalb wäre es Sinnvoll, wenn alle Lehrbetriebe regelmässig und unangekündigt kontrolliert würden.

Wir fordern:

  • Das Recht auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
  • Die 35-Stunden-Woche für Lernende ohne Lohnverlust
  • Die Möglichkeit den Lehrbetrieb unbürokratisch zu wechseln
  • Jedes Lehrverhältnis soll mindestens zweimal während der Lehre verdachtsunabhängig kontrolliert werden
  • Sieben Wochen Ferien für Lernende
  • Die Abschaffung der Geldbussen an den Berufsschulen

Faire Löhne auch für Lernende!

Die Krise hat starke Auswirkungen auf die Arbeiten der Auszubildenden, und damit auch auf mögliche Lohnforderungen. Für die Betriebe ist die Ausbildung von Lernenden profitabler geworden, denn Lernende übernehmen zunehmend Arbeiten von ausgelernten Fachkräften. Die Ausbildung von Lernenden kommt dabei zu kurz, und im Lohn spiegelt sich die erhöhte Ausbeutung schon gar nicht wieder. Nach Angaben der UnternehmerInnen wird geschätzt, dass Lernende im letzten Lehrjahr etwa 70% des Leistungsniveaus von ausgelernten Fachkräften erreichen. Auch die Lernenden selber sind 115im letzten Lehrjahr mit dem Verhältnis von erbrachter Leistung zum Lohn äusserst unzufrieden. Da sie im letzten Lehrjahr auch nur ca. 70% der Arbeitszeit einer ausgelernten Fachkraft erreichen, wäre zumindest ein halber Facharbeiter-/Innenlohn angemessen. Zudem erhöht ein 13. Monatslohn –der längst nicht Normalität ist -die Lohnzufriedenheit von Lernenden massiv.

Die Lohnhöhe der Lernenden basieren offiziell auf den Empfehlungen der Berufs-und 120Arbeitgeberverbände. Doch seit Marx wissen wir, dass die Lohnhöhe nicht willkürlich ist, dass sie immer auf den Reproduktionskosten einer Arbeitskraft beruht. Bei Lernenden sind dies die Kosten, die sie ausserhalb des Elternhauses selbst zu tragen haben. Die grössten Ausgabeposten im Lernendenbudget sind Transport-und Verpflegungskosten sowie die Kosten für den Ausgang –einer derökonomischen Ursachen für die Tanzdemonstrationen der letzten Jahre. In den letzten beiden 125Lehrjahren machen Lernende zudem häufig ihren Führerausweis und kaufen sich ein erstes Auto, was den höheren Lohn im letzten Lehrjahr auch bitter nötig macht.

Gebühren für Schule,WeiterbildungenKosten für Arbeitsmittel (z.B. Messwerkzeuge bei Polymechanikern), Wegkosten zur Schule und zu überbetrieblichen Kursen, Kosten für Arbeitskleidung und ihre Reinigung schmälern das frei verfügbare Budget der Lernenden enorm.130Obwohl die derzeitige Rechtslage die Betriebe dazu anhält, einige dieser Kosten zu übernehmen, machen sie in der Praxis dasGegenteil, die Kosten werden zunehmend auf die Lernenden abgewälzt.Dies hat sich durch die Krise noch verschärft.

Wir fordern:

  • Mindestlöhne für Lernende und PraktikantInnen
  • Übernahme aller Ausbildungs-und Arbeitskosten durch die Unternehmen
  • Gratis ÖV für alle•
  • 3. Monatslohn für alle Lernenden

Zukünftige Zusammenarbeit zwischen Juso und Gewerkschaftsjugenden

Mit diesem Papier wollen wir einen Prozess anstossen, an dessen Ende die Verschmelzung der Juso mit den Gewerkschaftsjugenden steht. So können wir uns endlich daran machen, die vorhandenen Ressourcen für Gewerkschaftliche Jugendarbeit real nutzbar zu machen –im Moment mangelt es den Gewerkschaftsjugenden weniger an Ressourcen als an AktivistInnen die diese auch nutzen können. 145Auch können wir wieder an unsere historischen Wurzeln anschliessen – die sozialistische Jugend zu Beginn des Jahrhunderts war noch die gemeinsame Organisation von Sozialdemokratie und Gewerkschaften, die Trennung beider Organisationen fand erst später und im Streit statt. Zudem gewinnen wir ein gewaltiges Feld, in dem wir unseren Einfluss geltend machen können – die Gewerkschaften selber. So können wir unseren Teil dazu beitragen, die gewerkschaftliche Praxis 150wieder mit einer sozialistischen Perspektive zu verknüpfen. Auf der anderen Seite gewinnen wir wertvolle und konkrete Erfahrungen in gewerkschaftlichen Kämpfen. Mit unseren Mitteln – unseren aktiven Mitgliedern, unseren engagierten Vorständen, unseren wichtigen Kantonsparlamentariern, unserer Zeitung und unseren Websites, mit unseren Verbindungen in SP und neu in die Gewerkschaften – können wir diesen Kämpfen eine neue Kraft, Schärfe und schon lange nicht 155gesehene Intensität geben.

Der logische erste Schritt in diese Richtung wird sein, unsere Mitglieder –egal ob aktiv oder passiv – dringend dazu anzuhalten, Gewerkschaftsmitglieder zu werden. Eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaftsjugend kostet für Lernende und Studenten im Monat nur so viel wie ein bis zwei Bier. Und es ist ja nur logisch, dass in der Gewerkschaft nur mitzureden hat, wer Gewerkschaftsmitglied ist.

Der nächste Schritt betrifft die Inhalte unserer politischen Bildung. Die Motivation, sich in den Gewerkschaften zu engagieren, entsteht nicht von alleine. Dazu brauchen wir umfangreiches politisches Vorwissen. Jedem Mitglied muss klar werden, was Gewerkschaften sind, wie sie entstanden sind und was dazu geführt hat, dass sie so sind wie sie heute sind. Und ganz besonders muss uns im Laufe des nächsten Jahres klar werden, wie wir uns die Gewerkschaften der Zukunft vorstellen. Und dann müssen wir uns die wichtigste Frage stellen: wie kommen wir dahin?

Dazu müssen auf allen Ebenen unserer Partei regelmässige Bildungsteile über gewerkschaftliche Arbeit stattfinden. In den politischen Keimzellen unserer Partei, an den Vollversammlungen der Sektionen, muss es zukünftig ein regelmässig gelebtes Traktandum zur Gewerkschaftspolitik geben. Im Laufe der Zeit, wenn das Grundlagenwissen erst einmal gelegt ist und wir zur Praxis schreiten, 170wird dieses Traktandum vom theoretischem Traktandum immer mehr in die Praxis hinübergeführt werden –natürlich ohne dabei je die theoretischen Grundlagen aus den Augen zu verlieren.

Als nächstes sollten wir sicherstellen, dass es auf jeder unserer Ebenen, ob sektional oder kantonal, Gewerkschaftsverantwortliche gibt. Diese sollten sich mit den aktuellen gewerkschaftspolitischen Themen vertraut machen, und die personelle Verbindung zu den Gewerkschaften herstellen –indem 175sie sich beispielsweise in die Vorstände der Gewerkschaften wählen lassen.. Auch wenn diese Gremien derzeit wenig jugendlich sind, werden dort wichtige gewerkschaftliche Themen besprochen. So können wir uns ein Bild über die aktuelle Gewerkschaftspolitik machen. Zudem bieten sie uns die Chance, wichtige Netzwerke zu knüpfen um unsere Anliegen in die Gewerkschaften einzubringen.

Die Verschmelzung mit den Gewerkschaftsjugenden und die aktive Partizipation an der 180Gewerkschaftspolitik bergen gewaltige Potentiale für die linke Jugendbewegung der Schweiz. Mit unserer Annäherung an die Gewerkschaften und dem Aufbau einer Gewerkschaftsjugend legen wir den Grundstein zu einer linken Jugendbewegung, wie sie dieses Land bisher noch nicht gesehen hat!

Die JUSO Kanton Zürich strebt hierzu folgende Ziele an:

  • Den Aufbau und die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaftsjugenden
  • Die Mitgliedschaft ihrer Mitglieder in den Gewerkschaften
  • Die Einbindung der Gewerkschaftsarbeit in die Mitgliederversammlungen
  • Die Wahl von Gewerkschafts-Verantwortlichen in allen Sektionen
  • Die Einbindung dieser Verantwortlichen in die Gewerkschaftsvorstände
  • Die Verschmelzung von Gewerkschaftsjugenden und Partei