Positionspapier: Vision Zero - Keine Jugendlichen ohne Ausbildung

30.11.2010

Positionspapier zu Handen der Delegiertenversammlung der SP Kanton Zürich

Eine Ausbildung und eine Arbeit für jeden Jugendlichen und jede Jugendliche muss die Forderungvon uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sein. Denn Arbeit und die Ausbildung dazu istein Recht, das allen zukommen muss. Alle sollen die Möglichkeit haben einen Beruf zu erlernen, denneine gute Ausbildung ist die Grundlage, um sich seine Existenz zu sichern, ein selbstbestimmtesLeben zu führen und mit seiner Arbeit einen Teil zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. AlleJugendlichen brauchen eine Perspektive, einen Platz in unserer Gesellschaft! Wir brauchen jedeEinzelne und jeden Einzelnen von ihnen.

Heute aber ist dieses Recht nicht verwirklicht. Zahlreiche Jugendliche sind arbeits- und perspektivlos.Von der Jugendarbeitslosigkeit verstärkt betroffen sind Jugendliche aus sozial schwächeren oderbildungsfernen Elternhäusern, Jugendliche mit Migrationshintergrund und Jugendliche mit tiefemBildungsniveau auf der Sekundarstufe I. Jugendarbeitslosigkeit tritt vor allem zwischen zweiproblematischen Übergängen auf:

Dem Übergang zwischen Schule und Berufsbildung (Lehrstellensuche) und dem Übergang zwischenBerufsbildung und Berufseinstieg (Stellensuche). Die Arbeitslosigkeit bei den beiden Übergängen hatunterschiedliche Ursachen. So ist die Lehrstellenknappheit auf strukturelle Engpässe zurückzuführen.Das heisst: Auch wenn es wirtschaftlich gut läuft, gibt es zu wenig Lehrstellen oder vor allem zu wenigLehrstellen in gewissen Branchen und im niederschwelligen Bereich. Der zweite Übergang hingegen,die Stellensuche, ist stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Diese unterschiedlichenArten von Jugendarbeitslosigkeit müssen auf unterschiedliche Weise angegangen werden. Dabeimuss immer auch das Recht auf Arbeit und die Bedürfnisse der Menschen im Zentrum stehen. DerArbeitsmarkt mit seiner Logik des Wettbewerbs und der Effizienz schliesst gerade schwächereJugendliche oft aus und hält zu wenig Möglichkeiten für sie bereit.

Akademische Berufe sollen den anderen Ausbildungsformen bezüglich Attraktivität und staatlicherfinanzieller Unterstützung nicht länger bevorzugt werden. Die in der Verfassung festgehalteneGleichwertigkeit der Bildungswege muss umgesetzt werden, ohne dass die unterschiedlichenBildungswege gegeneinder ausgespielt werden. Deshalb braucht es mehr Ressourcen für dieBerufsbildung. Auch einheitliche und höhere Mindestlöhne und bessere Arbeitsverhältnisse währendder Ausbildung tragen dazu bei. Jugendliche sollen ihre persönlichen Fähigkeiten entwickeln und indie Gesellschaft und Arbeitswelt einbringen können. Dies ist eine Voraussetzung für ein friedlichesZusammenleben und eine Schweiz mit Zukunft. Eine Jugend ohne Ausbildung und Perspektivenkönnen und dürfen wir uns nicht leisten.

Unsere 8 Punkte gegen die Jugendarbeitslosigkeit und für das Recht auf Ausbildung:

1. Basislehrjahre

Basislehrjahre bieten eine Grundausbildung im jeweiligen Beruf an. Am Anfang werden vermehrtTheorie und Grundfertigkeiten eingeübt, später ist die Präsenzzeit im Betrieb grösser. Einwesentliches Potenzial an Ausbildungsplätzen liegt in neuen Berufen, welche noch nicht organisiertausbilden und in welchen die Ausbildung teuer ist. Der Kanton soll die Ausbildungen in diesenBranchen und Berufen zumindest in der Startphase mitfinanzieren. Für schulisch schwächereJugendliche sollen Basislehrjahre geschaffen werden, welche eine längere Lehrzeit vorsehen, so dassdie Defizite aufgearbeitet werden können. Hier soll sich der Kanton dauerhaft finanziell beteiligen.

2. Ausbau der Attestlehre

Die Berufslehre mit Attest ist geeignet, insbesondere schwächeren Jugendlichen den Einstieg in dieBerufsausbildung zu ermöglichen. Diese soll ausgebaut und dabei nicht mit zu hohen Ansprüchenüberladen werden. Viele Berufe haben noch keine Berufslehre mit Attest eingeführt. Die Attestlehresoll bei diesen wenn möglich auch eingeführt werden. Die Übergänge zwischen Attestlehre und Lehremüssen flexibel und durchlässig sein.

3. Aufstockung des Casemanagements

Das vom Bund initiierte Casemanagement kümmert sich frühzeitig um Jugendliche, bei welchen sichbeim Übergang von der Volksschule in die nachfolgende Ausbildung Schwierigkeiten abzeichnen. DieRessourcen hierfür sind aber viel zu knapp. Der Kanton stattet das Casemanagement mit genügendenMitteln aus.

4. Berufsinspektorate stärken

Berufsinspektorinnen und Berufsinspektoren leisten einen wichtigen Beitrag, wenn es Schwierigkeitenim Lehrverhältnis gibt oder bei Lehrvertragsauflösungen und dem Suchen neuer Anschlusslösungen.Dieses Angebot muss gestärkt und ausgebaut werden.

5. Der Kanton entlässt keine Jugendlichen in die Arbeitslosigkeit

Er bietet allen Jugendlichen, die nach der Lehre keine Arbeitsstelle finden, eine zweijährigeWeiterbeschäftigungsgarantie an. Dies ermöglicht den Jugendlichen, Berufserfahrung zu sammeln,was oft ein entscheidendes Kriterium ist, um eine Arbeitsstelle zu finden. Schwer vermittelbare Jugendliche sollten zum Beispiel eine Stunde pro Tag der Arbeitszeit für Bewerbungsschreiben zugutehaben und darin auch unterstützt werden. Finden sie eine Stelle ausserhalb der Verwaltung, solltensie schnell und unkompliziert die Stelle wechseln können. Dieses Modell soll auch in Betrieben derPrivatwirtschaft zur Anwendung kommen.

6. Weiterbildung für alle

Weiterbildung funktioniert heute nach dem Prinzip: Wer hat dem wird gegeben. So bilden sich vorallem männliche, gut gebildete, sozial und finanziell besser Gestellte sowie Angestellte aus grossenBetrieben und in höheren Positionen weiter. Im Kanton werden während der Arbeitszeit obligatorischeWeiterbildungstage eingeführt. Dadurch haben alle ein verbindliches Recht, unabhängig von Herkunftund Ausbildung, eine Weiterbildung zu besuchen.

7. Internationale Firmen aufklären

Ein Potenzial für neue Lehrstellen und gegen den Abbau bisheriger Ausbildungsplätze liegt bei deninternationalen Firmen und Betrieben mit ausländischer Führung. Auf Grund ungenügenderInformation werden Lehrstellen abgebaut und zu wenig neue entstehen. Der Kanton Zürich sollinternationale Firmen über die Lehrstellensituation informieren und diese zum Anbieten vonAusbildungsplätzen veranlassen.

8. Verdoppelung der Beiträge an den Berufsbildungsfonds

Die Beiträge der ArbeitgeberInnen an den Berufsbildungsfonds sind heute sehr bescheiden. Um denMehraufwand des Kantons im Kampf für eine gute Berufsausbildung für alle und gegenJugendarbeitslosigkeit zu decken, sind diese Beiträge zu verdoppeln.