Positionspapier: Was sind schon Pässe aus Papier!

01.01.2018

Seit dem offenen Ausbruch Krise des Kapitalismus 2008 haben die globalen Migrations- und Fluchtströme drastisch zugenommen. Hintergrund ist die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, eine zunehmende Anzahl imperialistischer Kriege, sowie eine Verschärfung von Ausbeutung, Rassismus und Sexismus weltweit. Die Menschen können bei ihrer Flucht und Migration dem Kapitalismus jedoch nicht entkommen. Den Migrations- und Fluchtströmen wird wiederum mit verschärfter Ausbeutung, Rassismus und Sexismus begegnet wird. Dies soll die Arbeiter*innenklasse in Menschen mit oder ohne Pass spalten, und so dafür sorgen, dass kein Widerstand gegen das System entsteht. Gegen diese künstliche Trennung der Menschen wehren wir uns, und stellen der Krise des Kapitalismus unsere sozialistische Vision entgegen, denn „was sind schon Pässe aus Papier!“. Doch die meisten Staaten versuchen mit aller Macht, so wenige Flüchtende wie möglich aufzunehmen - sei es durch Obergrenzen für Asylgesuche, repressive Massnahmen gegenüber den Geflüchteten selbst oder gar Grenzschliessungen. In der Schweiz liegt die Verantwortung zur Unterbringung und Beschäftigung von Asylsuchenden beim Kanton und bei den Gemeinden. Gerade aber im Kanton Zürich lässt sich in letzter Zeit eine enorm bedenkliche Tendenz zur Repression gegenüber Flüchtenden, insbesondere gegenüber abgewiesenen Asylsuchenden, beobachten. Wir als JUSOKanton Zürich kritisieren diese Entwicklungen scharf und fordern im Anschluss an das Positionspapier “No Borders, no Nations“ der JUSOSchweiz:

Die Aufnahme von deutlich mehr Flüchtenden

Heutzutage rühmt sich der Kanton Zürich damit, dass die Asyl-Aufnahmequote im Kanton stabil ist. Gleichzeitig sind weltweit so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Ende des 2. Weltkrieges nicht mehr. Die reine Anpassung an die durch den Bund vorgegebenen Aufnahmequoten reicht nicht. Die JUSO Kanton Zürich fordert deshalb den Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Die Erhöhung der Aufnahmequote von 0,7 Prozent auf mindestens 5 Prozent (also pro 1000 Einwohner*innen mindestens 50 Asylsuchende)
  • Den Bund auffordern, deutlich mehr Flüchtende auch direkt aus Krisengebieten aufzunehmen

Eine menschenwürdige Umgebung für Asylsuchende

Unterkünfte statt Gefängnisse

Die Asylsuchende haben eine extrem anstrengende und oft auch traumatisierende Reise hinter sich. Hier angekommen, werden sie oftmals in unterirdischen Bunkern ohne Tageslicht einquartiert. In vielen Fällen haben die Asylsuchenden auch keine Möglichkeit, sich zurückzuziehen, da sie ihre Zimmer mit bis zu acht weiteren Asylsuchenden teilen müssen. Eine solche Umgebung kann den Stress, dem die Asylsuchenden sonst schon ausgesetzt sind, noch massiv verstärken. Dazu kommt, dass immer wieder Fälle publik werden, in denen die Würde und Rechte der Asylsuchenden mit Füssen getreten werden. Dazu gehören beispielsweise Schikanen oder gewalttätige Übergriffe des Sicherheitspersonals. Von menschenwürdigen Unterkünften kann oftmals nicht die Rede sein und die Verantwortlichen schauen weg, statt sich mit den Problemen auseinanderzusetzen.

Die JUSO Kanton Zürich fordert deshalb den Kantonzu folgenden Massnahmen auf:

  • Keine Unterbringung von Asylsuchenden in Bunkern
  • Doppelzimmer für alleinreisende Asylsuchende
  • Gesonderte Unterbringung und spezielle Betreuung für besonders Verletzliche (queer, psychisch kranke Menschen, Minderjährige, alleinreisende Frauen*, ältere Menschen)
  • Behandlung von Geflüchtete Frauen* ausschliesslich durch Ärztinnen*
  • Überprüfung und Kontrolle der Unterkünfte von einer unabhängigen Instanz, sowie eine bessere Kontrolle des Sicherheitspersonals. Gewalttätige Übergriffe, Rassismus oder ähnliche Vorfälle dürfen unter keinen Umständen toleriert werden.
  • Alle Geflüchteten haben das Recht auf psychologische Betreuung.

Gespräche auf Augenhöhe statt Verhöre

Damit man in der Schweiz Asyl beantragen kann, kommt es zu mehreren Gesprächen mit einem*einer SEM-Mitarbeiter*in, Übersetzer*in und einem/einer Vertreter*in eines Hilfswerkes. Diese Gespräche sind jedoch meist autoritär geführt und es wird ein enormer Druck auf Asylbeantragende ausgeübt. Alles was nicht im ersten Gespräch erwähnt wird, gilt als frei erfunden und gelogen. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass Frauen*, die während der Flucht vergewaltigt wurden, in einem autoritär gestalteten Gespräch das meist nur von Männern* geführt wird, sicherlich nicht über solch traumatisierende und schambehaftete Erlebnisse berichten werden. Auch trauen sich viele Flüchtende nicht, über in ihren Herkunftsländern tabuisierte Themen wie Homosexualität oder Transidentität zu reden, erst recht nicht, wenn der/die Übersetzer*in aus demselben Land kommt. DieJUSOKanton Zürich fordertdeshalb den Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Sämtliche Interviews von geflüchteten Frauen*werden nur von Frauen* geführt
  • Übersetzer*innen dürfen nicht aus dem gleichen Land wie die Asylsuchendenkommen und müssen eine Ausbildung gemacht haben.
  • Geflüchtete haben das Recht, Befragungen abzubrechen und zu verschieben, wenn der Stress und der Druck zu gross wird, ohne Repressionen fürchten zu müssen.
  • Sämtliche am Gespräch beteiligten Personen müssen für eine solche Situation geschult sein.
  • Bei jedem Gespräch muss zudem ein/eine Psycholog*in anwesend sein.
  • Die Geflüchteten haben bei jedem Gespräch das Recht eine/einen Beistand von einer
  • themenspezifischen Organisation (z. B. Queer-Organisationen, Terre des Femmes etc.) beizuziehen und werden auf dieses Recht aufmerksam gemacht.

Sozialhilfe für alle

Die Sozialhilfe in der Schweiz ist als Stütze und als Auffangnetz für die Schwächsten unserer Gesellschaft gedacht.Zu diesen gehören ganz besonders Menschen mit Ausweis F. Nun aber hat der Kantonsrat am 03.04.2017 entschieden, an vorläufig Aufgenommene nur noch Asylfürsorge zu zahlen. Dadurch wird über 5000 Menschen im ganzen Kanton die Hilfe verwehrt, die sie so dringend brauchen. Ihnen wird es verunmöglicht, sich hier ein menschenwürdiges Leben aufzubauen – im Wissen, dass sie oftmals Jahre hierbleiben. Systematisch wird der Status F abgewertet und die vorläufig Aufgenommenen in die Unmündigkeit getrieben. Nicht mit uns! Wir als Juso Kanton Zürich fordern den Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Sozialhilfe für alle statt für wenige, auch für Abgewiesene und vorläufig Aufgenommene.
  • Finanzielle Ermöglichung eines menschenwürdigen, autonomen Lebens im Sinne der vorläufig Aufgenommenen.
  • Keine Gutscheine anstelle von Geld für Asylsuchende

Abgewiesene Asylbewerber haben ein menschenwürdiges Leben verdient

Seit dem 1. Februar 2017 können abgewiesene Asylsuchende im Kanton Zürichihre Nothilfe nur dann beziehen, wenn sie zu festgelegten Zeiten an ihrer Unterkunft anwesend sind. Weiterhin werden abgewiesene Asylsuchende mit einem Rayonverbot in der zugeteilten Gemeinde festgehalten. Dies ist repressiv und raubt den Betroffenen die letzten Reste ihrer Autonomie, in der Hoffnung, dass sie aufgrund dieser menschenverachtenden Massnahmen die Schweiz verlassen. Für uns ist das inakzeptabel! Als JUSO Kanton Zürichfordern wir den Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Keine Knüpfung von Nothilfezahlungen an Aufenthalt zu spezifischen Zeiten in den Unterkünften
  • Das Recht auf Bewegungsfreiheit im Kanton Zürich zu respektieren und jegliche Rayonverbote aufzuheben.

Autonome Gestaltung des Alltags

Arbeit

Unter dem Deckmantel der Integration werden Migrant*innen zur Arbeit für ausbeuterische Entlohnung gedrängt. Denn jegliche nicht-Kooperation wird als Verweigerung zur Integration angesehen und kann schwerwiegende Nachteile für Migrant*innen zur Folge haben. Gleichzeitig werden mit Integrationsprogrammen Geschlechterstereotypen gefestigt (so wird es Frauen* nicht zugetraut, Kinder zu haben, den Haushalt zu führen und gleichzeitig zu arbeiten) und limitierte Perspektiven vermittelt. Die JUSO Kanton Zürichfordertden Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Keine Ausbeutung von Personen in Integrationsprogrammen. Die Entschädigung darf das Existenzminimum nicht unterschreiten.
  • Stärkere Unterstützung für Frauen* in Integrationsprogrammen
  • Integrationsprogramme sind auf einer freiwilligen Basis und eine Nichtteilnahme führt zu keinen Konsequenzen
  • Organisationen und Unternehmen, die Integrationsprogramme anbieten, werden vom Kanton finanziell (bei Bedarf) und organisatorisch unterstützt.

Deutschkurse

Damit Migrant*innen sich in irgendeiner Form sozial und wirtschaftlich beteiligen können, müssen sie sich verständigen können. Deutschkurse sind daher essentiell. Trotzdem kürzt der Kanton Zürich stetig die Gelder für solche Kurse und lagert sie auf Organisationen aus, die auf Freiwilligenarbeit gestützt sind. Die JUSOKanton Zürich fordertden Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Alle Deutschkurse für Migrant*innen werden staatlich bezahlt
  • Migrant*innen, die arbeiten, haben Anspruch auf Erwerbsersatzleistungen, damit sie Deutschkurse besuchen können.

Faire Einbürgerungen

In vielen Gemeinden wird bei Einbürgerungsverfahren unterschiedlich vorgegangen. Sowerden in manche Gemeinden Grundwissensteste durchführen. Diese Prüfungen beinhalten Fragen, welche beispielsweise Details der Schweizer Geographie beinhalten. Die Begründung, solche Grundwissensteste würden beweisen, wie integriert der einzubürgernde Mensch in der Schweiz ist, erweist sich angesichts solcher Fragen als Ausrede. Ein weiteres Problem bei den Voraussetzungen zur Einbürgerung ist die Pflicht, die letzten zwei Jahre vor Einreichung des Gesuchs in der gleichen Gemeinde wohnhaft gewesen zu sein. Dies wiederspricht der heutigen Realität,vor allem von jungen Personen.Die JUSOKanton Zürich fordert deshalb den Kanton zu folgenden Massnahmen auf:

  • Vereinheitlichung der Einbürgerungsverfahren im Kanton
  • Abschaffung der Grundwissensteste
  • Den Bund auffordern, die kantonalen und kommunalen Wohnfristen abzuschaffen
  • Die Wohnsitzfrist auf das Minimum von zwei Jahren festzulegen.
  • Abschaffung von kantonalen und kommunalen Einbürgerungskosten
  • Einblick in die Einbürgerungsgesuche haben die zuständigen Behörden. Ausschreibungen der Gesuche werden zur Wahrung der Privatsphäre verboten
  • Abschaffung der Erteilung des Gemeindebürgerrechts durch die Gemeindeversammlung